Im Himmel trägt man hohe Schuhe - I miss you already

  Sonntag, 08. Juli 1990 - 20:30 bis Sonntag, 08. Juli 1990 - 22:30
Kategorien: Stefan
Treffer: 3360

Eintritt: 5,00 €

Tragikomödie Großbritannien 2015
Kinostart: 31. März 2016
113 Minuten
FSK: ab 6; f
 
Regie: Catherine Hardwicke    
Buch: Morwenna Banks    
Kamera: Elliot Davis    
Musik: Harry Gregson-Williams    
Schnitt: Phillip J. Bartell    

Darsteller:
Drew Barrymore (Jess), Toni Collette (Milly), Paddy Considine (Jago), Dominic Cooper (Kit), Jacqueline Bisset (Miranda), Frances de la Tour (Jill, die Perückenmacherin), Tyson Ritter (Ace), Honor Kneafsey (Scarlett), Charlotte Hope (junge Jess), Noah Huntley (Manager)

 

FilmhomepageProgrammkino.de

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.

Kurzkritik Filmdienst

Eine lebensfrohe Mutter zweier Kinder erkrankt an Brustkrebs. Um ihre Angst vor der Chemotherapie zu überwinden, setzt sie auf die Hilfe ihrer besten Freundin, doch auch diese drücken Sorgen, da ihr Kinderwunsch bislang unerfüllt blieb. Die schmerzhaft-realistischen Szenen der Krebserkrankung fängt die Tragikomödie durch lauten, witzigen Humor auf, wobei die Inszenierung vom perfekten Zusammenspiel der beiden Hauptdarstellerinnen profitiert, die mit Verve unterschiedliche Temperamente aufeinanderprallen lassen.
Ab 14


Trailer (153 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst

Die Geschichte einer engen Frauenfreundschaft mit all ihren Höhen und Tiefen, Krisen und Glücksmomenten. Jess und Milly kennen sich bereits von klein auf. Nach einem kurzen Prolog, der eine Aussicht auf das Ende erlaubt, springt der Film zurück und begleitet die beiden schnappschussartig durch ihre Beziehung: Sie lernen sich in der Schule kennen. Sie üben das Küssen mit demselben Jungen, machen erste sexuelle Erfahrungen, richten sich im Erwachsenenleben mit Partner und Beruf ein. Jess ist die Bodenständigere der beiden, vernünftig und pragmatisch. Sie arbeitet in einem kommunalen Gemeinschaftsprojekt und lebt mit ihrem Freund Jago auf einem Hausboot. Milly ist da ganz anders, energiegeladen und extrovertiert. Rasch hat sie Karriere gemacht und eine Familie mit Ehemann und zwei kleinen Kindern gegründet. Natürlich ist sie es, die die im deutschen Verleihtitel angesprochenen hohen Schuhe trägt – quasi als Symbol für Lebensfreude und weibliches Selbstbewusstsein. Doch damit ist es plötzlich vorbei: Milly ist an Brustkrebs erkrankt. Wie soll sie es ihrem Mann sagen? Wie soll sie es ihren Kindern erklären? Wie soll sie die Chemotherapie durchstehen? Jess wird immer mehr zur helfenden Stütze ihrer kranken Freundin. Und vernachlässigt dabei sich selbst. So wird der Druck auf ihre eigene Beziehung immer größer. Während Milly unter dem Verlust ihrer Attraktivität leidet, müsste Jess endlich auch an sich selbst denken. Denn bislang blieb ihr Kinderwunsch trotz aller Bemühungen unerfüllt.

Die Regisseurin Catherine Hardwicke hatte sich im Jahr 2003 mit ihrem Regiedebüt „Dreizehn“ einen Namen gemacht, in dem ein weiblicher Teenager durch die Freundschaft zu einer beliebten Klassenkameradin auf Abwege gerät. „Im Himmel trägt man hohe Schuhe“ ist sehr viel versöhnlicher, nicht so grimmig und nicht so verstörend. Zuweilen fühlt man sich sogar an Garry Marshalls „Freundinnen“ erinnert, in dem Bette Midler und Barbara Hershey eine wechselvolle Freundschaft erleben. Ein Film, an dem die Kritiker vor allem die bittersüße Sentimentalität störte. Hardwicke versucht hingegen von vornherein, Rührseligkeit zu vermeiden. Schmerzhaft-realistische Szenen, die Diagnose des Arztes, die Folgen der Chemotherapie, das Scheren des Kopfes oder die Operationen, fängt sie immer wieder durch komische Zwischenspiele auf, die den Film als publikumswirksames Wohlfühlkino ausweisen: So schlimm kann Sterben nicht sein! Der Kauf einer Perücke oder die Zweckentfremdung einer Brechschale zum Hut-Accessoire entpuppen sich als überaus witzige Angelegenheit, und so wird das herzhafte, mal laut-vulgäre, mal freundlich-einnehmende Lachen von Toni Collette als Milly zum Markenzeichen des Films. Mit ihrer lebhaften Darstellung stiehlt sie Drew Barrymore ein wenig die Show. Doch mit der Verschiebung der Erzählperspektive, als Jess schmerzhaft realisiert schmerzhaft, was sie für ihre todkranke Freundin bereits aufgegeben hat, spielt sich Barrymore in den Film zurück und hält die Balance zwischen den unterschiedlichen Charakteren und Lebensauffassungen.

Dass hier zwei Frauen seit mehreren Jahrzehnten durch dick und dünn gehen, ist auch für den Zuschauer stets nachvollziehbar. Einmal fahren sie sogar zusammen in die schottischen Moore, um einen Sehnsuchtsort ihrer Jugend aufzusuchen, der an einfachere, romantischere Zeiten erinnert: ein „Wuthering Heights“-Themenhotel. Den männlichen Schauspielern, Paddy Considine und Dominic Cooper, kommt dabei als Ehegatten nur die Rolle von Stichwortgebern zu. Doch man ahnt, dass sie die beiden Freundinnen immer wieder erden und im Alltag verankern.

Michael Ranze, FILMDIENST 2016/7