Die Küchenbrigade
Eintritt: 7,50 €
Frankreich 2022
Kinostart: 15. September 2022
97 Minuten
FSK: ab 0; f
Regie/Drehbuch: Louis-Julien Petit
Darsteller:
Audrey Lamy (Cathy) · François Cluzet (Lorenzo) · Chantal Neuwirth (Sabine) · Fatoumata Kaba (Fatou) · Yannick Kalombo (Gusgus) · Amadou Bah (Mamadou) · Mamadou Koita (Djibril) · Alpha Oumar Barry (Alpha) · Yadaf Awel (Yadaf) · Adolpha Van Meerhaeghe (Nonne)
WIKIPEDIA
Kritiken:
Kritik von Reinhard Kleber für den Filmdienst (4 von 5 Sternen)
Trailer (127 Sekunden):
ausführliche Kritik von Reinhard Kleber für den Filmdienst:
Beschwingte Dramödie um eine 40-jährige Französin, die eine Stelle als Kantinenköchin in einem Heim für junge Migranten antritt.
Als Sous-Chefin in einem Edelrestaurant nahe der nordfranzösischen Stadt Béthune kennt sich Cathy Marie (Audrey Lamy) mit kulinarischen Genüssen aus. Seit ihrer Kindheit träumt die 40-jährige Französin schon davon, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Als sie mit ihrer Chefin mal wieder in Streit gerät, kündigt sie spontan, schliddert aber schon bald in finanzielle Schwierigkeiten. Auf Anraten einer Freundin nimmt sie dann doch das Angebot an, für lausige 1450 Euro im Monat als Kantinenköchin in einem Heim für minderjährige Migranten zu kochen. Für die Jugendlichen, die sich vor allem für Fußball interessieren, gab es bislang meist Dosenravioli aus der Mikrowelle zu essen.
Lorenzo (François Cluzet), der Leiter des Heims, versucht die unbegleiteten Flüchtlinge auf den rechten Weg zu bringen und ihnen einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Denn Minderjährigen droht die Abschiebung, wenn sie vor ihrem 18. Geburtstag keine Ausbildung begonnen haben.
Leckeres Essen für wenig Geld
Von Sabine (Chantal Neuwirth), der guten Seele des Heims, bekommt Cathy wertvolle Tipps. In einer stillen Stunde vertraut ihr Cathy im Gegenzug an, dass sie als Waise selbst in einem Heim aufwuchs und sich die Kochkunst als Autodidaktin beigebracht hat. Die Mischung aus Können, Stolz und Temperament führt jedoch bald zu Konflikten mit den Bewohnern, die sich an der resoluten Cathy reiben.
Mit der Zeit lernt sie, zurückzustecken und zu akzeptieren, dass sie auf die jungen Männer mit ihren schwierigen Fluchtbiografien mehr Rücksicht nehmen muss. Sie bietet sogar an, ihnen die Grundlagen des Kochens beizubringen und zu zeigen, wie man auch für wenig Geld eine leckere Mahlzeit zaubert. Durch eine Kochshow im Fernsehen entdeckt Cathy schließlich sogar einen Weg, sowohl ihren Schutzbefohlenen zu helfen als auch ihrem Ziel näherzukommen, selbst Chefin zu sein.
Mit „Die Küchenbrigade“ knüpft der französische Drehbuchautor und Regisseur Louis-Jean Petit an das ästhetische Konzept und den gesellschaftskritischen Ansatz seines Films „Der Glanz der Unsichtbaren“ (2019) an, in dem es um ein Heim für obdachlose Frauen und ein paar engagierte Sozialarbeiterinnen ging, die sich mit klugem Witz und politischem Durchsetzungsvermögen für ihre Schutzbefohlenen einsetzten. Die Darstellerinnen, die zum größeren Teil selbst einmal ohne Obdach waren, verbürgten in dem semidokumentarischen Drama eine authentische Atmosphäre.
Auch für „Die Küchenbrigade“ rekrutierte Petit die jungen Protagonisten bei einem Casting in Pariser Aufnahmeeinrichtungen. Im Film ist so immer wieder zu spüren, wie wichtig es den Migranten ist, in Frankreich bleiben zu können. Die Inszenierung lehnt sich dabei an die Wirklichkeit an. So wurde die Figur der talentierten Cathy von der Köchin Catherine Grosjean inspiriert, die am Lycée Hôtelier in Treignac eine Berufsschulklasse betreut und eine Küchenbrigade aus minderjährigen Migranten leitet. Die wollen den Gesellenbrief des Hotelgewerbes mit Schwerpunkten Küche oder Service erwerben.
Mit sanftem Humor
Ähnlich wie in „Der Glanz der Unsichtbaren“ gelingt es Petit auch hier, die Balance zwischen gesellschaftskritischen Tönen und sanftem Humor zu halten, wobei Audrey Lamy auch in „Die Küchenbrigade“ die Hauptrolle verkörpert. Petit hat ihr das Drehbuch sozusagen auf den Leib geschrieben. Lamy revanchierte sich für dieses Vertrauen, indem sie sich intensiv auf die Rolle der Köchin vorbereitete. Sie verbrachte mehrere Monate in zwei Spitzenrestaurants, um sich das Handwerk anzueignen.
Vor der Kamera versteht sie es glänzend, das Spannungsfeld zwischen Egozentrik und Mitgefühl, Durchsetzungsvermögen und Schuldbewusstsein, Wut und Empathie anschaulich zu machen. Immer wieder schlägt sie komödiantische Funken aus den Szenen, in denen ihr professioneller Stolz mit den Sachzwängen der heruntergekommenen Kantine kollidiert.
Die Figur des unermüdlichen Heimleiters Lorenzo ist eine Paraderolle für François Cluzet. Und Chantal Neuwirth zeigt als Sabine eindrucksvoll, wie eine übergewichtige Frau mit Minderwertigkeitskomplex langsam, aber sicher über sich hinauswächst.
Auch wenn die Feel Good-Sozialdramödie streckenweise vorhersehbar ist, hält sie originelle Einfälle bereit und überrascht mit einem satirisch akzentuierten, wenngleich unnötig hektischen Ausflug in die Niederungen des Reality TV. Ein überforderter Moderator raunzt darin Cathy einmal sogar als „Psychopathin“ an, weil die nicht das tut, was die Fernsehmacher von ihr erwarten.