Familie Brasch (geplant) - 16. August

  Donnerstag, 31. Dezember 1818 - 19:23 bis - 21:08
Treffer: 2658

Eintritt: 5,00 €

Deutschland 2018
Kinostart: 16. August 2018
102 Minuten
FSK: ab 0; f

Regie/Buch: Annekatrin Hendel  
Kamera: 
Musik: 
Schnitt:

Mitwirkung:    
Ursula Andermatt     Florian Havemann     Petra Schramm     Katharina Thalbach     Bettina Wegner     Joachim von Vietinghoff     Alexander Polzin     Marion Brasch     Christoph Hein

 

Filmhomepage, Wikipedia, alle Daten zum Film auf Filmportal.de

Kritiken:
Kritik von Matthias Dell im Filmmagazin EPD
Kritik von Michael Meyns auf Programmkino.de
Kritik von Matthias Heine in der Welt
Kritik von Verena Schmöller auf Kino-Zeit.de
  
Deutschlandfunkkultur


Kurzkritik Filmdienst
Dokumentarisches Filmporträt der ostdeutschen Funktionärsfamilie Brasch, die neben dem stellvertretenden DDR-Kulturminister Horst Brasch mehrere Schauspieler und Schriftsteller, darunter den bekannten Autor Thomas Brasch, hervorbrachte. In der Darstellung dreier Generationen, die die Spannungen der DDR-Geschichte innerhalb der eigenen Familie austragen, erweist sich die Spiegelung der Familiensaga in der Historie als produktiver, kluger Ansatz. Neben der privilegierten Behandlung der Vater-Sohn-Konflikte werden allerdings manche interessanten Aspekte nur angerissen.

 

Trailer (120 Sekunden):


ausführliche Kritik Filmdienst
Marion Brasch steht vor einer lose zusammengestellten Fotowand und erzählt von den Zerwürfnissen und Beschädigungen in ihrer Familie. Dass sie sich dabei in dem glatten Bilduntergrund spiegelt, mag vielleicht Zufall sein, passt aber ganz gut zum Modus des reflexiven Erzählens. Denn auch wenn die heutige Schriftstellerin und Radiojournalistin bereits vor sechs Jahren ihre Erinnerungen unter dem Titel „Ab jetzt ist Ruhe: Geschichte meiner fabelhaften Familie“ veröffentlichte, scheint es manchmal, als sei sie noch immer mit dem Sortieren und Ausdeuten beschäftigt. Marion Brasch, jüngstes Brasch-Kind, einzige Tochter, letzte „Überlebende“ und Erzählstimme des Films, ist in Annekatrin Hendels vielstimmiger Dokumentation „Familie Brasch“ die entscheidende Instanz. Sie füllt auch eine wichtige Lücke in einer Geschichte, die vom Kampf zwischen Vätern und Söhnen handelt und in der die Frauen kaum mehr sind als Randfiguren. Neben ihr hat Hendel ehemalige Weggefährten, Geliebte und Freunde befragt wie die Schauspielerin Katharina Thalbach, den Dichter Christoph Hein, die Liedermacherin Bettina Wegner und den Künstler Florian Havemann. Auch Thomas Braschs Sohn Benjamin Schlesinger, der unter der Ignoranz durch seinen berühmten Vater sichtbar zu leiden hatte, kommt zu Wort. Ergänzt werden die Interviews mit Material aus Bühnenbearbeitungen von Marion Brasch und ihrer Tochter Lena. Den Erzählrahmen bildet ein von Leif Heanzo kreiertes computergeneriertes Familienporträt im Stil der Biedermeiermalerei, das jedes Kapitel in einer abgewandelten „Familienaufstellung“ einleitet. Die Geschichte der Braschs hat etwas geradezu Exemplarisches im Hinblick auf die gesellschaftspolitischen und generationellen Umbrüche in der DDR. Sie ist ein Familienepos mit Schnittmengen zu zahlreichen anderen Genres: zum Künstlerfilm, zum Generationen- und Politdrama, mitunter gar zur Tragödie von Shakespeare’schem Ausmaß. Horst Brasch emigriert als konvertierter Katholik jüdischer Herkunft während des Krieges mit einem Kindertransport nach Großbritannien. Er beteiligt sich am Aufbau der FDJ, wird Mitglied der KPD und siedelt 1946 mit seiner aus Wien emigrierten jüdischen Frau Gerda und dem kurz vor Kriegsende geborenen Sohn Thomas in die sowjetische Besatzungszone über. „Die Geschichte, wie aus einem katholischen Juden ein Kommunist wurde, erzählte mein Vater am liebsten. Für mich war es die langweiligste Geschichte der Welt“, sagt Marion Brasch. Die Braschs sind in den Nachkriegsjahren eine perfekte Funktionärsfamilie, die den deutschen Traum vom Sozialismus lebt. Horst Brasch wird SED-Parteifunktionär und stellvertretender Minister für Kultur der DDR, sein ältester Sohn, der zunehmend mit dem real existierenden Sozialismus ringt, avanciert zum anerkannten Schriftsteller. Als 1968 auch in der DDR der Generationenkonflikt aufbricht, liefert der Vater den rebellierenden Sohn – er verteilte Flugblätter gegen den Einmarsch der „Warschauer Pakt“-Staaten in die ČSSR – an die Behörden aus. Für Horst Brasch bedeutet die Inhaftierung von Thomas Brasch das Karriereende. Spätere Versuche einer Annäherung zwischen Vater und Sohn scheitern, man findet keine gemeinsame Sprache, die Kluft zwischen den Generationen scheint unüberwindbar. „Familie Brasch“ erzählt insofern auch eine in der „gesamtdeutschen“ Geschichtsschreibung zu kurz gekommene Geschichte eines ostdeutschen „1968“. Kaum verwunderlich, dass die „kleine Schwester“ zwischen täglichem Geschrei und Türenschlagen eine unauffällige Rolle wählte, nur so konnte sie, wie sie einmal sagt, ihre „Ruhe“ haben. Denn auch die anderen beiden Söhne, der bereits im Jahr 1980 verstorbene DEFA-und Volksbühnen-Schauspieler Klaus und der spätere Dramaturg, Hörspielautor und freischaffende Schriftsteller Peter, kämpfen an der Vater-Sohn-Front. Die zu Selbstzerstörung neigenden Brüder stehen aber auch im Schatten des Ältesten, dessen Karriere nach seiner Ausbürgerung 1976 erst richtig an Fahrt aufnimmt. Thomas Braschs Prosaband „Vor den Vätern sterben die Söhne“ wird ein großer Erfolg, das filmische Debüt „Engel aus Eisen“ läuft 1981 im Wettbewerb von Cannes. Nach dem Fall der Mauer, den der Vater nicht mehr miterlebt, verstummen die Söhne. Gerüchte über Thomas Braschs Alkohol- und Drogenmissbrauch mehren sich, ein Filmprojekt gerät ins Kippen, erst 1999 meldet er sich mit einem neuen Buch überraschend zurück. Der verbleibende Bruder Peter wird 2001 in seiner Wohnung tot aufgefunden, Thomas Brasch stirbt noch im selben Jahr an Herzversagen. Hendel, die schon mehrere Filme über Künstlerinnen und Künstler in der DDR gemacht hat – etwa über Paul Gratzik, Sascha Anderson, Christian „Flake“ Lorenz und Ines Rastig – sieht in den Braschs ein ostdeutsches Familiensaga-Pendant zu den Manns. Ihr Film ist eigentlich das Nebenprodukt einer Recherche – die Regisseurin plant auf der Grundlage von Marion Braschs Erinnerungen einen Spielfilm. Ihr Ansatz, die Familiengeschichte mit dem „Historienfilm“ kurzzuschließen und zu spiegeln, ist produktiv und klug. Hendel entgeht damit der Falle der Personalisierung, die vielen Biografien zu eigen ist. Mitunter merkt man der Dokumentation ihren Status als „Zwischenprodukt“ aber auch an. Der Stil tendiert zum Reportagehaften, manches wird nur angerissen – über Gerda Braschs journalistische Arbeit, die sie für die Familie aufgab, hätte man beispielsweise gerne mehr erfahren. Und ein wenig reproduziert Hendel natürlich, auch wenn sie die hagiografische Erzählung ihres Fassbinder-Films („Fassbinder“,) sicherlich nicht wiederholt, den großen „Jahrhundertroman“ der Väter und Söhne – mit dem charismatischen Thomas Brasch als Hauptfigur. Als unbedingt kritische Familienchronistin ist Marion Brasch überaus präsent, als Brasch-Tochter beziehungsweise -Schwester bleibt sie die unscheinbare Figur in einem immer monströser erscheinenden Familiengemälde.

Esther Buss