PAULETTE

Freitag, 22. November 2013 - 20:30
Treffer: 1624

Eintritt: 5,00 €

Komödie Frankreich 2012
Kinostart: 18. Juli 2013
87 Minuten
FSK: ab 12 J.


Regie: Jérôme Enrico    
Buch: Bianca Olsen, Laurie Aubanel, Cyril Rambour, Jérôme Enrico    
Kamera:  Bruno Privat    
Musik: Michel Ochowiak    
Schnitt:  Antoine Vareille    

Darsteller: Bernadette Lafont (Paulette), Carmen Maura (Maria), Dominique Lavanant (Lucienne), Françoise Bertin (Renée), André Penvern (Walter), Ismaël Dramé (Léo mit 7), Jean-Baptiste Anoumon (Osman), Axelle Laffont (Agnès), Paco Boublard (Vito), Mahamadou Coulibaly (Idriss), Kamel Laadaili (Momo)
Verleih: Neue Visionen (Berlin), Format 1,85:1 (Breitwand, Flat)

Filmhomepage, Infoseite des Verleihs, WIKIPEDIAProgrammkino.de, Filmgazette, Pressespiegel

Kurzkritik Filmdienst
Paulette lebt von einer kärglichen Mindestrente in einem Vorort von Paris. Allerdings verfügt sie über eine scharfe Zunge, mit der sie ihre Mitmenschen drangsaliert. Als der Gerichtsvollzieher ihr Mobiliar pfändet, verfällt sie auf die Idee, mit Marihuana zu dealen. Eine sympathisch-harmlose Komödie, die ganz auf kurzweilige Unterhaltung voller Slapstick und Dialogwitz setzt.  - Ab 14.

 

 

ausführliche Kritik Filmdienst

Sie setzt die dunkle Sonnenbrille auf: im alten wie im neuen Leben ein unentbehrliches Accessoire. Auf dem Markt, im Nahkampf um die getrockneten Lauchstangen, verbirgt sie sich dahinter – gefährlich und mondän wirken die dunkel getönten Gläser allemal. Was Paulette bei ihren späteren Drogengeschäften sehr zugute kommt. „Paulette“ ist der zweite Kinofilm von Jérôme Enrico (nach „L’Origine du Monde“, 2000). In den zwölf Jahren dazwischen drehte er für das Fernsehen und unterrichtete an der Filmhochschule ESEC (École supérieure d‘études cinématographiques) in Paris. Dort entstand auch das Drehbuch zu „Paulette“. Eine seiner Studentinnen hatte eine Zeitungsmeldung über eine alte Dame entdeckt, die Cannabis verkauft, um ihr Überleben zu sichern. Daraus entwickelte Enrico und drei Studenten die Geschichte. Paulette lebt in der Pariser Banlieue von der Mindestrente. Deshalb muss sie sich auf dem Markt um die liegengebliebenen Reste schlagen. Seitdem sie mit ihrem Restaurant scheiterte, ist sie zur Misanthropin geworden, was ihr multikulturelles Umfeld in Gestalt rassistischer Verbalexzesse zu erdulden hat. Ihren Neffen, der einen schwarzen Vater hat, nennt sie „Bimbo“; dem schwarzen Priester bescheinigt sie im Beichtstuhl, dass er es „verdient hätte, weiß zu sein“. Ihre Übellaunigkeit ist kaum noch steigerungsfähig. Erst als der Gerichtsvollzieher die halbe Wohnung ausräumt und auch Paulettes geliebten Fernseher mitnimmt, versteht sie, dass sich etwas ändern muss. Der florierende Handel mit Haschisch rund um ihr Haus und ihr verhasster Schwiegersohn, der Drogenfander Ousman, bringen sie auf eine Idee. Nach einem Schnellkurs bei dem über ihr plötzliches Interesse entzückten Ousman beginnt sie, für den lokalen Boss Vito zu dealen. Bernadette Lafont ist Paulette: Die Schauspielerin rollt theatralisch mit den Augen und schneidet Grimassen, sie gestikuliert und schnaubt und ächzt und wütet. Ihre Tour de Force durch die Verwandlungen ihrer Figur wirkt manchmal fast pantomimisch übertrieben – ein etwas zurückhaltenderer Ansatz hätte der Komödie durchaus gut getan. An Paulettes Seite stehen ihre drei Freundinnen, darunter Carmen Maura als Maria. Sie helfen Paulette, als diese umsatteln muss: Das Drogengeschäft ist hart umkämpft, und gegen die physische Überlegenheit der jungen Dealer kommt die „Drogen-Omi“ nicht an. Also beginnt sie, in ihrer Wohnung zu backen – Macarons und Baisiers in allen Farben, Madeleines, kleine Tartes und Schokoladenkuchen. Alles mit der entscheidenden Zutat, versteht sich. Bisweilen scheint es, als wäre „Paulette“ ein Pilotfilm für eine Serie, in dem das künftige Personal eingeführt wird: neben der Hauptfigur und ihren „Golden Girls“ (mit so charakteristischen wie eindimensionalen Eigenschaften) an erster Stelle ihre Familie, deren Zuneigung sie sich erst wieder erkämpfen muss, dann der unerschöpfliche Apparat an Drogendealern, vom arabischen Jugendlichen bis zum Russenmafia-Magnaten mit Bodyguards und Limousine. Und schließlich gibt es auch noch die Kunden. In der Tat folgt „Paulette“ einschlägigen Serien-Vorbildern: Die scharfzüngigen, Karten spielenden „Golden Girls“ werden mit „Weeds – Kleine Deals unter Nachbarn“ und „Breaking Bad“ verschmolzen. „Paulette“ ist dabei sympathisch, aber vergleichsweise harmlos. Die Inszenierung streift sowohl die Armut der alten Dame als auch den „Clash of Cultures“ im Banlieue nur am Rande; sie bleiben dramaturgische Mittel zum Zweck. Der Humor, keinesfalls aberwitzig, konzentriert sich auf Slapstick und simplen Dialogwitz, das Tempo ist entspannt: „Paulette“ will niemanden verschrecken.
Julia Teichmann