Die Prüfung

  Freitag, 02. September 2016 - 20:30 bis Freitag, 02. September 2016 - 21:55
Treffer: 1956

Eintritt: 5,00 €

Deutschland 2016
Kinostart: 19. Mai 2016
96 Minuten
FSK: ab 0; f

Produktion: Martin Heisler    
Regie/Drehbuch: Till Harms  
Kamera: Börres Weiffenbach, Anne Misselwitz, Istvan Imreh    
Musik: Eike Groenewold    
Schnitt: Sybille Eckhardt

 
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Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.

Kurzkritik Filmdienst
Für zehn Studienplätze, die die Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover jedes Jahr anbietet, bewerben sich mehrere hundert Aspiranten, die in einem aufwändigen Verfahren getestet und gefiltert werden. Anders als die meisten „Casting-Filme“ richtet die Dokumentation ihren Blickwinkel nicht auf die Eleven, sondern auf die neun Prüfer, die auf der Suche nach den besten Kandidaten einen nicht minder kräftezehrenden Marathon bewältigen. Der aufmerksame, klar und genau beobachtende Film zeichnet eine gnadenlose Welt der Selektion, des Triumphes wie auch der seelischen Verletzungen und verdeutlicht zugleich die Gruppenprozesse, die darüber entscheiden, wer in die erste Reihe vordringt.
Sehenswert ab 14.


Trailer (96 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst

Warum erfreuen sich eigentlich Filme über die Auswahlverfahren an Schauspielschulen einer immer wiederkehrenden Konjunktur? Die lange Liste reicht von „Fame“ über „Kleine Haie“ bis zu „Die Spielwütigen“ . Nicht zu vergessen die unverwüstlichen Casting-Formate im Privatfernsehen. Auch diese leben vom Fiebern mit den Kandidaten, die keine selbstentblößende Peinlichkeit scheuen, um in den Kreis der Auserwählten aufzusteigen.

Der Dokumentarfilm „Die Prüfung“ von Till Harms erfindet dieses Genre nicht neu, schafft es aber immerhin, hinter die Kulissen der mit Vorliebe wenig Wert auf Transparenz legenden Kommissionen zu schauen. Ausgehend von 687 Bewerbern, die um zehn Plätze kämpfen, richtet der Film neun Tage lang den Blick vor allem auf die neun Prüfer an der Staatlichen Schauspielschule Hannover, aus der so erfolgreiche Mimen wie Katharina Schüttler oder Susanne Wolff hervorgegangen sind.

Das sich über mehrere Runden erstreckende Prüfungsprocedere erweist sich für die Entscheider als kräftezehrende Belastungsprobe, die den Stresspegel der Geprüften sogar zu übersteigen scheint. Wenn es um ihre Favoriten geht, scheuen die Entscheider keine rhetorische Pirouette, verändern die Bewertungskriterien nach Belieben, kritisieren manchmal auch ungerecht die Gegenseite und schrecken vor keiner noch so subjektiven Parteinahme zurück. Im Verlauf des Marathons kristallisieren sich ihre Charaktere heraus. Jeder reagiert anders auf die Unzulänglichkeiten der Anwärter. Der eine stellt perfide Fragen, der andere erteilt Anweisungen, damit der Auftritt auf der Probebühne nachhaltigere Spuren hinterlässt und vielleicht ein verborgenes Talent aufscheinen lässt.

An Mitgefühl fehlt es nicht, weswegen auch das Verkünden des „Urteils“ zu den berührendsten Momenten des behutsam beobachtenden Films gehört. Ausgerechnet in den Momenten der bleiernen Müdigkeit demonstrieren abgelehnte Aspiranten das Bedürfnis, über ihre Fehler zu diskutieren. Die Reaktionen der Akteure fangen mehrere Kameras ein, das Karussell der Gefühle lässt sich so beinahe hautnah miterleben und die konträren Meinungen auch mit der Körpersprache abgleichen.

Ein gelungenes Porträt einer gnadenlosen Welt der Selektion, des Triumphs und der seelischen Verletzung, das in klaren Bildern nicht alle Rätsel des Schauspielberufs löst, aber immerhin zeigt, welche Gruppenprozesse darüber entscheiden, ob man in die erste Reihe vordringt.

Alexandra Wach, FILMDIENST 2016/10