Seniorenkino: Der Chor

  Dienstag, 03. Mai 2016 - 15:30 bis - 17:30

Eintritt: 5,00 €

USA 2014
Kinostart: 27. August 2015
104 Minuten
FSK: ab 0; f

Regie: François Girard
Buch: Ben Ripley
Kamera: David Franco
Musik: Brian Byrne
Schnitt: Gaétan Huot

Darsteller: 
Dustin Hoffman (Master Carvelle), Kevin McHale (Wooly), Josh Lucas (Gerard), Debra Winger (Ms. Steel), Garrett Wareing (Stet), Joe West (Devon), River Alexander (Raffi), Sam Poon (Frederick), Dante Soriano (Fernando), Erica Piccininni (Debbie), Grant Venable (Andre), Janine DiVita (Sally)

Filmhomepage, Wikipedia, Programmkino.de 

Kurzkritik Filmdienst

Nach dem Tod seiner Mutter wird ein musikalisch hochbegabter Herumtreiber an einer renommierten Chorschule aufgenommen. Dort muss der Junge erst lernen, dass zum Erfolg auch harte Arbeit und Disziplin gehören. Das vorhersehbare Erbauungsstück zeichnet recht konventionell und vordergründig die Stationen eines Aufstiegs nach. Während renommierte Nebendarsteller den holzschnittartig gezeichneten Figuren wenigstens etwas Glaubwürdigkeit abringen, bleibt die Hauptfigur fremd und vermag ihre plötzliche Liebe zur klassischen Musik nicht zu vermitteln. So beeindrucken lediglich die klanglich ausgefeilten Darbietungen der Chorknaben.
Ab 12.

Trailer:


ausführliche Kritik Filmdienst

Du musst das wollen. Du musst besser werden!“, schärft die Leiterin der renommierten Chorschule dem rebellischen Stet in schönster US-Motivationstradition ein. Der 11-Jährige verfügt zwar weder über Disziplin noch Manieren, dafür aber über eine unglaubliche musikalische Begabung. Diese Gabe, so gehört es sich in einem nordamerikanischen Erbauungsstück, wird Stet den Weg aus der Düsternis seines noch so jungen Lebens weisen: Seine überforderte Alkoholiker-Mutter wird vom Drehbuch schon nach kürzester Zeit für überflüssig erklärt und findet bei einem Autounfall den Tod; sein Vater ist ein gefühlskalter Brocken, der Stet einst außerehelich zeugte und in seinem werbecliphaften Familienglück nicht von solchen Schatten der Vergangenheit belästigt werden möchte. Zum Glück aber gibt es neben Stets Sangestalent auch noch eine Ersatzmama (Debra Winger), eine engagierte Pädagogin, die sich für den schwierigen Jungen einsetzt.
Auf diese Weise landet Stet aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz auf dem elitären „National Boychoir“-Internat an der Ostküste. Gedrillt wird er hier nun vom ebenso unerbittlichen wie leidenschaftlichen Chorleiter Carvelle. Dann gibt es auch noch den kumpelhaften jungen Lehrer Wooly, die mütterlich strenge Kathy Bates als Schulleiterin, und natürlich die Antagonisten, die als solche auch schon auf den ersten Blick zu erkennen sind: der aus gutem Hause stammende Solist Devon und der karrieregeile Lehrer Drake.
Das Geschehen nimmt seinen vorhersehbaren Lauf und bleibt auch in seiner konventionellen Erzählweise ohne Inspiration und Leidenschaft. Sehr vordergründig, ohne Tiefe, Geheimnis oder Zwischentöne werden die Stationen von Stets letztlich triumphalem Aufstieg erzählt. Zwar können gute Schauspieler wie Dustin Hoffman und Kathy Bates den holzschnittartig gezeichneten Figuren noch etwas Glaubwürdigkeit abringen, andere aber scheitern daran; so bleibt gerade Stet fremd und ungreifbar, was zuallerletzt der Unerfahrenheit seines Darstellers Garrett Wareing anzulasten ist.
Es ist vor allem das Drehbuch, das es offenbar als gegeben voraussetzt, dass ein 11-jähriger Rumtreiber aus bildungsfernem Haushalt geistliche Musik des 18. Jahrhunderts toll findet. Für den erwachsenen Zuschauer mit Vorliebe für klassische Musik mag das vielleicht noch funktionieren, für ein jugendliches Publikum aber dürfte es schwerer nachzuvollziehen sein, wieso Stet im Singen „uncooler“ klassischer Musik von jetzt auf gleich eine Heimat findet.
Nichtsdestotrotz sind die Gesangspassagen der Chorknaben tatsächlich beeindruckend und klanglich schön; die glockenhelle Stimme von Garrett Wareing rührt an. Allerdings entwertet die starke Belegung der Tonspur auch jenseits von Chorproben und -auftritten mit klassischer Musik die Wirkung der Gesänge von Stet & Co. Unverständlich bleibt auch, weshalb Regisseur François Girard ausgerechnet das Konzert in New York, auf das das Geschehen zuläuft, so lieblos kurz und visuell enttäuschend abhandelt, während er die Inszenierung anderer Auftritte durchaus in stimmig-spannende Konzertbilder umzusetzen weiß.
So bleibt „Der Chor – Stimmen des Herzens“ vor allem ein Film, der viele Chancen vergibt und allzu brav den ausgetrampelten Pfaden des Hollywoodschen Erbauungsfilms folgt. Am Ende steht sogar die Familienzusammenführung mit dem angesichts von Stets göttlichem Gesang plötzlich gar nicht mehr so hartherzigen Vater. Das hat in seiner Bravheit dann fast schon eine parodistische Note.

Katharina Zeckau, FILMDIENST 2015/17