Seniorenkino: Picknick mit Bären

  Dienstag, 06. September 2016 - 15:30 bis - 17:30

Eintritt: 5,00 €

A WALK IN THE WOODS
Abenteuerfilm/Komödie USA 2015
Kinostart: 15. Oktober 2015

104 Minuten
FSK: ab 0; f

Produktion: Robert Redford, Bill Holderman, Chip Diggins
Regie: Ken Kwapis
Buch: Rick Kerb, Bill Holderman
Vorlage: Bill Bryson (Buch "Picknick mit Bären")
Kamera:  ohn Bailey
Musik: Nathan Larson
Schnitt: Carol Littleton, Julie Garces

Darsteller:
Robert Redford (Bill Bryson), Nick Nolte (Stephen Katz), Emma Thompson (Catherine Bryson), Mary Steenburgen (Jeannie), Nick Offerman (Outdoor-Verkäufer Dave), Kristen Schaal (Mary Ellen), R. Keith Harris (Sam Bryson), Randall Newsome (TV-Moderator), Hayley Lovitt (Donna)

 
Filmhomepage, WikipediaProgrammkino.de   

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.

Kurzkritik Filmdienst

Der bekannte Reiseschriftsteller Bill Bryson möchte sich nicht in ein langweiliges Rentnerleben verabschieden. Allen Warnungen seiner liebevollen Frau Cynthia und seiner Kinder zum Trotz will er sich ein letztes Mal in ein Abenteuer stürzen und zu Fuß den Appalachian Trail bezwingen, einen 3.500 Kilometer langen Wanderweg quer durch die USA. Die Probleme beginnen allerdings bereits bei der Suche nach einem geeigneten Wanderpartner. Der einzige, der sich mit ihm auf die Reise machen möchte, ist ausgerechnet sein schon lang entfremdeter Schulfreund Steven Katz, ein ehemaliger Alkoholiker, der für das gewagte Vorhaben neben einer schlechten Kondition auch zu viele Kilos mitbringt. Dennoch macht sich das ungleiche Gespann auf den Weg in die atemberaubende amerikanische Wildnis und findet hierbei nicht nur eine alte Freundschaft wieder sondern vor allem auch zu sich selbst.


Trailer (112 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst

Das alte „Unbehagen in der Kultur“, von dem Siegmund Freud am Beginn des 20. Jahrhunderts schrieb – es steht Robert Redford in seiner Rolle als Bill Bryson überdeutlich ins faltige Gesicht geschrieben. Ken Kwapis’ Literaturverfilmung beginnt mit einigen lustigen Szenen, die süffisant klarstellen, dass es dem erfolgreichen Autor Bryson in seinem gutbürgerlichen Leben irgendwie unbequem geworden ist und er sich fehl am Platz fühlt. Irritiert versucht er als Gast einer Talkshow, den dämlichen Fragen des Moderators etwas entgegenzusetzen; bei einer Beerdigung begeht er aus Unsicherheit einen kleinen Fauxpas, und im schönen Zuhause bei der netten Familie scheint er auch nichts richtig mit sich anfangen zu können. Klarer Fall: Der Mann muss raus in die Natur, mit den Wölfen heulen oder eben mit den Bären picknicken. Im fortgeschrittenen Alter gerät das „Going Native“ in der Wildnis in Form der Bewältigung des so genannten Appalachian Trail schnell zur Kamikaze-Mission, zumal Bryson in seinem ehemaligen Kumpel Stephen Katz eine Reisegesellschaft hat, die sich eher als Klotz am Bein erweist. Was Bryson überdeutlich daran erinnert, warum er einst den Kontakt zu Katz abgebrochen hatte.
Angesichts des Plots könnte man an einen Film wie „Old Joy“ (fd 38 971) von Kelly Reichardt denken, in dem es ums Wandern als Selbstfindung bzw. um den Versuch geht, eine Entfremdung (von sich selbst, von alten Freunden, von der Natur) zu überwinden. Das schwingt in Ken Kwapis’ Adaption von Bill Brysons gleichnamigem autobiografischen Reisebericht auch mit, allerdings ist der Film vor allem eins: gepflegter Klamauk, in dem die sympathischen Altstars Robert Redford und Nick Nolte genüsslich dem Affen Zucker geben und keine Slapstick-Pointe auslassen. Da wird in Flüsse geplumpst, durch Fenster geklettert, in Schlammpfützen gepatscht und durch Stockbetten gekracht, was das Zeug hält, während sich die Senioren – der eine ein wenig melancholisch, aber bestens in Form, der andere ein alkoholgetränktes, aber fideles Wrack – beim altersungemäßen Extremurlaub bekabbeln wie ein altes Ehepaar. Die „Oberflächlichkeit“ dieser Körper-Komik hat durchaus etwas Hintersinniges: „Picknick mit Bären“ ist vor allem ein Hohelied darauf, auch mit fortschreitendem Alter wortwörtlich in Bewegung zu bleiben, und vermittelt liebenswert die schlichte, aber wahre Erkenntnis, dass man der Langeweile und der schleichenden Traurigkeit, die sich in der Alltagsroutine einschleicht, ebenfalls wortwörtlich davonlaufen kann, wenn man sich auf eine neue Erfahrung, auf neue Orte, eine neue Herausforderung einlässt – eine Art „Oh, wie schön ist Panama“ für Senioren.

Felicitas Kleiner, FILMDIENST 2015/21