Nur Fliegen ist schöner

  Freitag, 12. August 2016 - 20:30 bis Freitag, 12. August 2016 - 22:30

Eintritt: 5,00 €

Komödie Frankreich 2015
Kinostart: 19. Mai 2016
105 Minuten
FSK: ab 0; f
 
Regie/Drehbuch: Bruno Podalydès  
Kamera: Claire Mathon    
Schnitt: Christel Dewynter  
 
Darsteller:
Bruno Podalydès (Michel), Sandrine Kiberlain (Rachelle), Agnès Jaoui (Laëtitia), Vimala Pons (Mila), Denis Podalydès (Rémi), Michel Vuillermoz (Christophe), Jean-Noël Brouté (Damien), Pierre Arditi (Angler), Noémie Lvovsky (Mme Pirchtate), Samir Guesmi (Lieferant), Mehdi Djaadi (Supermarkt-Wachmann), Benjamin Lavernhe (Bernard)   

 
Filmhomepage, WikipediaProgrammkino.deEPD-Film  

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Kurzkritik Filmdienst
Ein von Ehe und Beruf unausgefüllter 50-jähriger Mann will in einem Kajak eine Flusstour südlich von Paris unternehmen. Als er an einem idyllischen Gasthaus strandet, lassen ihn Zufälle und Missgeschicke seinen Aufenthalt verlängern, zumal er sich sowohl zur Wirtin als auch zu ihrer jungen Bedienung hingezogen fühlt. Sympathische, gut gespielte Sommerkomödie mit leicht märchenhaften Zügen, die vom Ausbruchsversuch eines zaghaften Neurotikers aus dem Alltag erzählt. Manche gelungene Situationskomik überdeckt allzu seichte Stellen und einige überstrapazierte Witze.
Ab 14.

Als geflügeltes Wort: Nur Fliegen ist schöner


Trailer (106 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst

Sein Leben lang hat Michel davon geträumt, Pilot zu sein. Beim Motorradfahren trägt er stets eine Fliegerjacke, seine Wohnung ist voller Modellflugzeuge und sein Lieblingsbuch ist Saint-Exupérys „Nachtflug“. Doch als Michels Wunsch in Erfüllung zu gehen droht, zieht er lieber die Reißleine. Den Gutschein für Flugstunden, den er zum Geburtstag erhält, will er auf keinen Fall einlösen, auch wenn seine Freunde und seine Frau Rachelle noch so sehr sticheln.

Nun muss im Leben des Fünfzigjährigen ein neues Ziel her, da er im Beruf wie zuhause in Routine erstarrt ist. Zum Glück kann Michel sich immer noch begeistert auf neue Ideen stürzen und geht ganz in der Planung einer neuen Wunschvorstellung auf: mit einem Kajak über die französischen Flüsse zu gleiten, mit ähnlich eleganten Bewegungen wie beim Fliegen, aber ohne Höhenangst und Absturzgefahr.

Um sich tatsächlich ins Wasser zu wagen, braucht es zwar noch einen entschlossenen Anschub von seiner Frau, doch dann kann es losgehen. Das beabsichtigte Tagespensum korrigiert Michel auf dem Fluss allerdings sofort und nutzt schon nach wenigen Kilometern die Gelegenheit zu einer Pause in einem Gasthaus. Und das umso bereitwilliger, als ihm mit dessen Besitzerin Laetitia und ihrer jungen Kellnerin Mila gleich zwei schöne Frauen den Kopf verdrehen.

„Du lässt dich gern treiben – damit rechtfertigst du deine Passivität“, wird Michel einmal vorgehalten, was nicht nur den zaghaften Aussteiger treffend charakterisiert, sondern im Grunde alle Hauptfiguren in den Komödien des Filmemachers Bruno Podalydès. Neurotisch, leicht haltlos, aber von sympathischer Gelassenheit stehen solche Figuren seit fast 20 Jahren im Mittelpunkt der dialogbetonten Werke von Podalydès, der in seinen besten Momenten mit Woody Allen oder Eric Rohmer verglichen wurde. Dass mit „Nur Fliegen ist schöner“ erstmals seit „Dieu seul me voit“ eine seiner Regiearbeiten auch in Deutschland ins Kino kommt, dürfte viel mit den attraktiven sommerlichen Aufnahmen der Fluss- und Waldlandschaften südlich von Paris zu tun haben, aber auch damit, dass Podalydès die Dialoglastigkeit hier zugunsten von Situationskomik zurückschraubt.

So gibt es viele witzige Szenen um die Tücken moderner Campingausrüstung wie einen angeblich lautlosen, tatsächlich aber unangenehm summenden Anti-Mücken-Schlüsselanhänger oder das Zelt, das sich von alleine aufbläst, wenn Michel es in die Luft schleudert – allerdings auch von alleine wieder zusammensackt, als der tolpatschige Hobby-Paddler darüber stolpert. Auch der Gegensatz von Michels aufrichtiger Abenteuerbereitschaft zu seinem Festhalten an unsinnigem Ballast wie einer Ukulele schlägt immer wieder amüsante Funken.

Mit der Ankunft in Laetitias Gasthaus nimmt die Inszenierung das Tempo allerdings merklich zurück. Die äußerlich nicht außergewöhnliche Wirtschaft erscheint als wahrhaftiger Locus amoenus, als paradiesischer Ort, an dem die Wirtin, ihre Freunde und Helfer und auch die Gäste ein sorgloses Leben führen. Arbeiten in der Natur, Angeln, Weintrinken, Tanzen und Liebemachen scheinen die Tage auszufüllen. Michel, den Bruno Podalydès wohl nicht zufällig selbst spielt, hat an diesem Platz seine Erfüllung gefunden und ist nur zu bereit, sein Abenteuer dort enden zu lassen. Zufälle und unerwartete Missgeschicke führen ihn nach halbherzigen Aufbruchsversuchen rasch wieder zu Laetitia zurück und schließlich auch ins Bett der lebensfrohen Witwe, während Michels Frau fingierte Fotos von seinen scheinbaren Reisefortschritten erhält.

Podalydès inszeniert dieses märchenhaft anmutende Treiben als mitreißende Ode an die Lebensfreude in der Natur, vergleichbar dem, was Jean Renoir 1936 in „Eine Landpartie“ gelang. Dabei fließen zwar einige ironische Elemente ein, doch Renoirs melancholische Gewissheit über die Vergänglichkeit der Idylle ist „Nur Fliegen ist schöner“ allerdings fremd. Bei allem Vergnügen an den sympathischen, gut besetzten Figuren fällt die Komödie ein wenig unverbindlich aus, da letztlich keine Handlung nennenswerte Konsequenzen zu haben scheint; auch ist der Film nicht frei von seichten Stellen und überstrapazierten Witzen. Die Chance, eine utopische Alternative zur modernen Oberflächlichkeit und Hektik zu entwerfen, lässt der Film verstreichen; so bleibt es bei eskapistischer, gut gemachter Unterhaltung.

Marius Nobach, FILMDIENST 2016/10