The Big Short

  Freitag, 25. März 2016 - 20:30 bis - 21:30

Zum Filmtitel: Darauf zu wetten, dass Wertpapiere an Wert verlieren, nennt man im Finanzjargon  "shorten" Möglich wurden diese Wetten dadurch, dass Finanzinstitute wie Goldman Sachs und die Deutsche Bank Finanzvehikel kreierten, die solche Wetten ermöglichten - sogenannte Credit Default Swaps (CDS) oder Kreditausfallversicherungen. 

Inhalt:
New York im Jahr 2005: Der Dollar ist stark, die Wirtschaft boomt. An der Wall Street werden jeden Tag aufs Neue Börsen- und Wertpapiergeschäfte in gigantischem Umfang getätigt. Mit immer komplexer werdenden Immobilienprodukten, hervorragenden Renditen und vermeintlich minimalem Risiko werden selbst Arbeitslose zu Villenbesitzern und den Maklern, Versicherern und Bankenbossen winkt das schnelle Geld.
Was die Finanzbosse, die Medien und die Regierung nicht erkennen, durchschaut der eigenwillige Hedgefonds-Manager Michael Burry sofort: Er prognostiziert schon in wenigen Jahren das Platzen der amerikanischen Immobilienblase und den daraus resultierenden Zusammenbruch der Weltwirtschaft, der Millionen Menschen heimat- und arbeitslos machen wird. Als Burry vor der großen Katastrophe warnt, will niemand auf ihn hören - zu sicher fühlen sich die Bankenbosse und tun seine Prognosen ab. Daraufhin entwickelt Burry einen perfiden Plan: den "Big Short". Durch sogenannte "Shortings", Leerkäufe von Aktien großer Investmentbanken, wettet er gemeinsam mit weiteren risikofreudigen Spekulanten, wie dem unbeirrbaren Trader Steve Eisman, dem geldgierigen Deutsche-Bank-Makler Greg Lippmann und dem früheren Star-Investor Ben Rickert, gegen das Finanzsystem, um selbst das unfassbar große Geld zu machen.

Eintritt: 5,00 €

Komödie USA 2015
Kinostart: 14. Januar 2016

131 Minuten
FSK: ab 6; f

Produktion: Dede Gardner, Jeremy Kleiner, Arnon Milchan, Brad Pitt    

Regie: Adam McKay    
Drehbuch: Adam McKay, Charles Randolph - Oscar 2016 für das beste adaptierte Drehbuch
Vorlage: Michael Lewis (Buch "The Big Short: Inside the Doomsday Machine")    
Kamera: Barry Ackroyd     
Musik: Nicholas Britell    
Schnitt: Hank Corwin    

Darsteller: Christian Bale (Michael Burry), Steve Carell (Mark Baum), Ryan Gosling (Jared Vennett), Brad Pitt (Ben Rickert), Karen Gillan (Evie), Melissa Leo (Georgia Hale), Marisa Tomei (Cynthia Baum), Tracy Letts (Lawrence Fields), Hamish Linklater (Porter Collins), John Magaro (Charlie Geller), Stanley Wong (Ted Jiang), Byron Mann (Wing Chau), Rafe Spall (Danny Moses), Jeremy Strong (Vinny Daniel), Finn Wittrock (Jamie Shipley), Selena Gomez (Das Mädchen)
Paramount, Scope, 380.000 Zuschauer in 10 Wochen

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.

Kurzkritik Filmdienst

Banker, Analysten und Wertpapierhändler verbünden sich, um in der Hochphase des Aktienbooms 2005 auf einen Crash zu spekulieren. Dieser wird drei Jahre später Wirklichkeit, als die US-Immobilienblase platzt. Die surreal aufgekratzte Farce entfaltet rund um die Börsenmanie ein wildes Stakkato unterschiedlicher erzählerischer Mittel, um am Ende in die moralische Forderung zu münden, dass Banken für die volkswirtschaftlichen Schäden aufkommen sollen. Der prominent besetzte Film erzählt wider Willen auch von der Schwierigkeit, politisch verbindliche Kritik am Finanzsystem mit den Mittel des Unterhaltungskinos zu formulieren. -  Ab 14.
Kritik von Ulrich Kriest.
Ulrich Kriest ist einer der renommiertesten Filmkritiker hierzulande, den wir sehr schätzen. Bei einem politisch Linken der alten Garde, wie er, hat es ein Film mit diesem Thema grundsätzlich extrem schwer, thematisch zu bestehen. Eingedenk dessen und der positiven anderen Kritiken, haben wir uns entschieden, die
sen Film zu zeigen. Was nicht heißt, dass Kriest am Ende nicht wieder mal Recht behalten könnte - Wir werden es ja sehen.

Filmhomepage, Wikipedia, EPDProgrammkino.de, Filmgazette1, Filmgazette2     

FAZ: Die Finanzkrise als großes Kino 
Die Süddeutsche: Finanzkrise als Kokstrip 
Die Zeit: "The Big Short" stapelt fiktive Finanzprodukte zu einem rauschhaften, adrenalingeschwängerten, irrwitzigen Kinoerlebnis
Der Spiegel 1: So ein Film über die Finanzkrise war Hollywood kaum noch zuzutrauen: "The Big Short" ist witzig, wütend, formal gewagt - und versammelt ein grandioses Star-Ensemble aus Christian Bale, Steve Carell, Brad Pitt. Und natürlich Ryan Gosling. 
Der Spiegel 2: Der Oscar-Kandidat "The Big Short" will die Finanzkrise unterhaltsam erklären - und zeichnet ein Bild der Banker zwischen teuflisch, dumm und verhaltensgestört. War es wirklich so? Die Antwort ist wenig schmeichelhaft.  

4-minütiger Bericht (246 Sekunden) von ZDF Neu im Kino:



Trailer (2 Minuten):




ausführliche Kritik Filmdienst

Man muss nur ganz genau hingucken, dann kann man alles sehen!“, heißt es optimistisch zu Beginn des Films. Das genaue Hinschauen meint dabei das Erfassen und Auswerten endloser Zahlenkolonnen aus Kreditverträgen in einem Geschäftsbereich, der naturgemäß als absolut sicher gilt. Es geht in „The Big Short“ um das Platzen der US-Immobilienblase 2008, was eine weltweite Finanzkrise auslöste.
Eine Handvoll schrullig-durchgeknallter oder auch ambitionierter Trader setzen genau auf dieses Szenario und versuchen aus unterschiedlichsten Gründen, diese Welle Gewinn bringend zu reiten. Sie schauen hinter die vor Selbstbewusstsein und Selbstüberschätzung strotzende Fassade des Finanzkapitals und lernen fassungslos das Schaudern angesichts der herrschenden Moral. Und auch das Lachen darüber, denn „The Big Short“, die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Michael Lewis, ist auch eine aufgekratzte surreale Farce.
Weil die Storyline die These vom „Genau-Hinschauen“ zwar postuliert, aber Regisseur Adam McKay sich zugleich dafür entschieden hat, diese These in der Praxis des Erzählens zu dementieren, wird der Zuschauer in atemberaubenden Tempo bis zur Erschöpfung mit allerlei esoterischen Informationen und Termini über die Usancen des Kreditwesens massiert. Wer weiß schon, was unter Begriffen wie „Collateral Debt Obligations“ oder „Subprime-Darlehen“ genau zu verstehen ist? Wer käme darauf, dass Rating-Agenturen korrupt sind und auf Profit schielen? Warum sollten Journalisten, die längst Teil des Spiels sind, ihre Informanten durch unangenehme Veröffentlichungen verprellen? Information overload, Baby!
„The Big Short“ bietet einem illustren Star-Ensemble (Christian Bale, Brad Pitt, Steve Carell und Ryan Gosling) eine Plattform, dem Affen Zucker zu geben und das Publikum mit allerlei Extravaganzen zu unterhalten. Allerdings krankt der Film auch hier daran, dass jeder der vier Stars zugleich einen bestimmten Typus aus der Finanzbranche (der Autist, der Egozentriker, der Deillusionierte, der Selbstgefällige) verkörpern und darüber hinaus einen Teilaspekt der Usancen in der Branche zumindest skizzieren soll. Für die Schauspieler bedeutet dies, dass sie auf halber Strecke zwischen exemplarischem Figur und genauer ausformuliertem Charakter hängenbleiben. Als schrullige, neurotische oder auch unsympathische Figuren kommen sie auf dieser Weise aber nie so recht über die Funktion als Platzhaltern von Thesen hinaus. Ob derlei dann der politischen Aufklärung dient oder Aufklärung nur zur Unterhaltung angetäuscht wird, um dann moralisch zu argumentieren, ist die entscheidende Frage zur Beurteilung des Films. McKay geht an die Schmerzgrenze, nutzt dazu allerdings lauter formale Strategien, die einst theoretisch mit politischem Filmemachen verbunden wurden. Mit einer Ausnahme gibt es keine Identifikationsfiguren, dafür nutzt die Inszenierung aber allerlei Distanzierungsstrategien wie einen unzuverlässigen Erzähler, die Aufhebung der Chronologie in einer Vielzahl von Parallelhandlungen, hohe Schnittfrequenz mit surrealen Effekten, kurze autonome Lehrstück-Szenen mit Medien-Prominenz wie Anthony Bourdain, Margot Robbie oder Selena Gomez, eine komplexe Tonspur mit Off-Erzähler und angerissenen Dialogen, überlagert oder unterfüttert von Musik und visuell durch eine Bilderflut US-amerikanischer Medienfolklore und dokumentarischem Material.
Während der Film über weite Strecken forciert auf Sarkasmus in der Haltung zum Gezeigten setzt, staunt man nicht schlecht, wenn auf der Zielgeraden plötzlich wieder eine Moral der Geschichte herauspräpariert werden soll. Es sei schließlich nicht hinnehmbar, wenn der kleine Mann die Zeche für Freibeuter und Glücksritter zu zahlen habe; die Banken müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Eine oberflächliche und reichlich matte, weil moralische und nicht politische Botschaft, im Vergleich zur Emphase des Erzählens. Aber vielleicht dokumentiert ja „The Big Short“ die Einsicht, dass Kritik am Finanzsystem nur noch möglich ist, wenn diese Kritik gleichzeitig so unterhaltsam formuliert wird, dass sie notwendigerweise folgenlos bleibt. Wenngleich die Stars in diesem Zusammenhang durch ihr Mitwirken natürlich Flagge zeigen können, unmissverständlich, publikumswirksam und widersprüchlich.

Ulrich Kriest, FILMDIENST 2016/1