Mr. Holmes

  Freitag, 05. Februar 2016 - 20:30 bis - 21:30

Eintritt: 5,00 €

Großbritannien  2015
Kinostart: 24. Dezember 2015
104 Minuten
FSK:  ab 0; f

Regie: Bill Condon     
Buch: Jeffrey Hatcher    
Vorlage: Mitch Cullin (Roman "A Slight Trick of the Mind"), Arthur Conan Doyle (Charaktere)    
Kamera: Tobias A. Schliessler    
Musik: Carter Burwell    
Schnitt: Virginia Katz  
 

Darsteller: Ian McKellen (Sherlock Holmes), Laura Linney (Mrs. Munro), Milo Parker (Roger), Hiroyuki Sanada (Tamiki Umezaki), Hattie Morahan (Ann Kelmot), Patrick Kennedy (Thomas Kelmot), Roger Allam (Dr. Barrie), Philip Davis (Inspektor Gilbert), Frances de la Tour (Madame Schirmer), Charles Maddox (Oswald), Takako Akashi (Maya Umezaki), Zak Shukor (Masuo Umezaki), John Sessions (Mycroft Holmes), Nicholas Rowe (Matinee "Sherlock"), Sam Coulson (Matinee "Kelmot"), Frances Barber (Matinee "Madame Schirmer"), Hermione Corfield (Matinee "Ann Kelmot"), Sarah Crowden (Mrs. Hudson)
P2

   

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.
Kurzkritik Filmdienst

Der 93-jährige Sherlock Holmes lebt zurückgezogen in einem Landhaus in Sussex, widmet sich der Bienenzucht und weist den Sohn seiner Haushälterin in die Geheimnisse der Imkerei ein. In seine verdämmernde Gegenwart mischen sich Erinnerungen an eine Japan-Reise sowie Bilder eines letzten, bislang ungelösten Falls. Das kluge Altersdrama wird von seinem überragenden Darsteller getragen, der dem Meisterdetektiv zu mehr Menschlichkeit verhilft. Die Inszenierung nutzt die Gedächtnislücken zur assoziativen Verschränkung der Erzählebenen, ohne darüber das Grundgerüst einer Detektiv-Story aus den Augen zu verlieren. - Sehenswert ab 14.  Irene Genhardt ***** (5 von 5 Sternen)

Filmhomepage, Programmkino.de, epd-Film 
Pressespiegel    

4-minütiger Beitrag vom ZDF "Neu im Kino":



37-sekündiger Shortcut-Bericht vom Filmmagazin KinoKino von Bayern III:


Trailer (122 Sekunden):
 

  

ausführliche Kritik Filmdienst

Ein britischer Gentleman kehrt 1947 von einer Reise nach Japan zurück. Er hat dort nach einer Pflanze gesucht, mit deren Wirkstoffen er seiner beginnenden Demenz Herr zu werden hofft. Es ist nicht einfach,dem eigenen geistigen Zerfall zuzusehen. Insbesondere, wenn man früher über den scharfen Verstand und das brillante Gedächtnis eines Meisterdetektivs verfügte.
Bill Condon stellt mit „Mr. Holmes“ nicht etwa einen weiteren, heiter-kniffligen Sherlock-Holmes-Detektivfilm vor, wie sie in den letzten Jahre so zahlreich entstanden sind, sondern eine freie Adaption von Mitch Cullins Roman „A Slight Trick of the Mind“ aus dem Jahr 2005. Dessen Handlung spielt in den Jahren, als der Holmes-Erfinder Conan Doyle seinen Protagonisten definitiv in Pension geschickt hatte. Holmes lebt zusammen mit seiner Haushälterin Mrs. Munro und deren Söhnchen Roger in Sussex und vertreibt sich die Zeit als Hobby-Imker; Roger geht ihm dabei zur Hand. Überhaupt haben der alte Mann und der Junge, sehr zum Ärger seiner Mutter, ein spezielles Verhältnis zueinander, das sich noch vertieft, als Roger heimlich Holmes’ Aufzeichnungen liest und diesen darauf anspricht; Holmes hadert noch immer mit seinem letzten Fall, dem einzigen, den er, sei es aus Unachtsamkeit, sei es aus persönlichen Ängsten, nicht zu seiner Zufriedenheit gelöst hat.
Regisseur Bill Condon verschachtelt die drei Ebenen – die Japanreise, den 30 Jahre zurückliegenden Fall sowie den Alltag in Sussex – assoziativ, wobei ihm das lückenhafte Gedächtnis des Protagonisten und sein häufiges Wegdämmern, das den Film um die Ebene des Traumes bereichert, als Cliffhanger und Sprungbrett dienen. Das Erzähltempo ist Holmes’ Alter und der ländlichen Umgebung angepasst. Die Gemächlichkeit dominiert selbst dann, wenn es im Notfall um Tod und Leben geht. Man hat ja nichts (mehr) zu verlieren, und lösen lassen sich knifflige Angelegenheiten noch immer am besten mit scharfem Nachdenken und hellem Verstand. Hier bewegt sich „Mr. Holmes“ dann doch auf der Ebene einer Detektiv-Story. So findet das Eine schließlich zum anderen, und was ursprünglich zu unterschiedlichen Zeiten und an verschiedenen Orten nicht in Beziehung zu stehen schien, fügt sich meisterlich zusammen.
Nebenbei wird aufgeräumt. Etwa mit überkommenen Lügen wie jenen, dass Holmes immer eine Deerstalker-Mütze trage und Pfeife rauche, wo er in Wahrheit doch lieber barhaupt geht und Zigaretten vorzieht; an der 221B Baker Street übrigens hat er auch nie gewohnt; ein vernünftiges Arbeiten wäre beim allzeitigen Touristenrummel gar nicht möglich gewesen. Auf diese Weise ist „Mr. Holmes“ auch eine amüsante Abrechnung mit dem Popkultur-Phänomen Sherlock Holmes.
Gespielt wird Holmes von Ian McKellen, was der größte Trumpf des Films ist, der als Altersdrama für Fans harte Kost sein dürfte. McKellen und Condon haben schon einmal zusammengearbeitet, in „Gods and Monsters“, wo McKellen den offen homosexuellen und deswegen bis zur Verzweiflung schikanierten Regisseur James Whale spielte. Schon dieses Drama lebte über weite Strecke von McKellens Ausdruckskraft, und das tut „Mr. Holmes“ fast noch mehr. Hier spielt der 76-jährige Mime einen 93-Jährigen, der unter seinem schwindenden Verstand weit mehr leidet als unter seiner Gebrechlichkeit, mit sensationell beherrschtem Mienenspiel, aber auch einer aus dem Inneren kommenden Klugheit und berührender Güte. McKellen verhilft dem Meisterdetektiv, den man im Kino nur zu oft als Mann ohne (menschliche) Eigenschaften gesehen hat, damit zu einer Menschlichkeit, die „Mr. Holmes“ bisweilen wie die Biografie eines realen Menschen erscheinen lässt, dessen Bild in den Medien jahrzehntelang verzerrt wurde. Was für ein im Kleinen großer und großartiger Film!

Irene Genhardt, FILMDIENST 2015/26


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