Still Alice - Mein Leben ohne Gestern

Freitag, 08. Mai 2015 - 20:30

Eintritt: 5,00 €


USA/Frankreich 2014
Kinostart: 5. März 2014
101 Minuten
FSK:  ab 0; f
 
Regie/Drehbuch:  Richard Glatzer und Wash Westmoreland    
Kamera: Denis Lenoir    
Musik: Ilan Eshkeri    
Schnitt: Nicolas Chaudeurge  
 
Darsteller: Julianne Moore (Alice Howland), Kate Bosworth (Anna Howland-Jones), Shane McRae (Charlie Howland-Jones), Hunter Parrish (Tom Howland), Alec Baldwin (John Howland), Seth Gilliam (Frederic Johnson), Kristen Stewart (Lydia Howland), Stephen Kunken (Dr. Benjamin), Erin Drake (Jenny), Daniel Gerroll (Eric Wellman)    

10 Auszeichnungen für Juliane Moore als beste Hauptdarstellerin - u.a. den Oscar und Golden Globe


Filmhomepage, Wikipedia, Programmkino.de, Filmgazette      
Pressespiegel  

Kurzkritik Filmdienst

Nach unerklärlichen Sprachschwierigkeiten und Orientierungsverlusten wird bei einer 50-jährigen Linguistin eine seltene Form von frühem Alzheimer diagnostiziert, die schnell voranschreitet. Dank seiner überragenden Hauptdarstellerin zeichnet das Drama intensiv den unaufhaltsamen Prozess des Verschwindens einer Persönlichkeit nach, bis der Ich-Verlust erzählerisch in eine strikte Beobachterposition umschlägt. Ab 14.

Trailer:

 

ZDF - Neu im Kino:

ausführliche Kritik Filmdienst

Alice hat auf ihrem Laptop einen Spezialordner angelegt, der „Butterfly“ heißt. Auch wenn sie sich an dessen Inhalt schon längst nicht mehr erinnert, weiß Alice, dass sie ihn öffnen muss, kurz bevor der komplette Selbstverlust bevorsteht. „Hi Alice, I’m you“, erinnert sie die Frau in der Videodatei, die sie einmal war und die inzwischen nur noch als eine Art Schwundform existiert. Es folgen detaillierte Anweisungen, welche Vorkehrungen zu treffen sind. Doch deren Umsetzung scheitert auf tragische Weise erneut am Gedächtnisverlust, der jeden nächsten Schritt nahezu unmöglich macht.
Alice Howland, eine 50-jährige Professorin für Linguistik, leidet an einer seltenen Form von frühem Alzheimer. Ihr Workaholic-Ehemann reagiert anfangs ungläubig, die drei erwachsenen Kinder sind bestürzt, auch weil sich herausstellt, dass die Krankheit vererbbar ist. In der ersten Zeit lassen sich die Anzeichen noch überspielen. Wenn Alice bei einer Vorlesung ein Wort entfällt, hat sie schnell eine Umschreibung parat oder sie rettet sich erfindungsreich mit einem Witz. Die Krankheit aber schreitet schnell voran, Alice muss ihre Arbeit aufgeben. Dass ihr das Medium, das ihre Identität begründet – die Sprache – zunehmend entgleitet, lässt dabei ihren Verfall noch dramatischer erscheinen. Hinzu kommen Schamgefühle. „Ich wünschte, ich hätte Krebs“, sagt sie einmal, und man glaubt es ihr sofort.
Mit Hilfe der modernen Technologien baut Alice Erinnerungsbrücken. Irgendwann ist aber auch das Handy, das routinemäßig ihre persönliche Daten abfragt, an Termine erinnert oder Handlungsanweisungen erteilt, immer öfter verlegt.
„Still Alice“, die Verfilmung des gleichnamigen Romans der Neurowissenschaftlerin Lisa Genova, ist vor allem eine Bühne für Julianne Moore. Nuanciert und ohne Sentimentalität spielt sie eine Frau, die immer mehr verschwindet, zerfällt, zum Schatten ihrer selbst wird. Sobald Alice ihre Erfahrungen nicht mehr selbst vermitteln kann, zieht sich auch der Film zunehmend in die Beobachterposition zurück. Die Regisseure Wash Westmoreland und Richard Glatzer, der selbst mit der schweren ALS-Krankheit zu kämpfen hat, maßen sich zum Glück nicht an, die Binnenperspektive einer fortgeschrittenen Alzheimerkranken zu ergründen.
Was „Still Alice“ ohne Julianne Moore wäre, möchte man sich trotzdem lieber nicht vorstellen. Das familiäre Umfeld erscheint grob und schematisch skizziert – mit Ausnahme der von Kristen Stewart verkörperten Figur der jüngsten Tochter Lydia, die sich im letzten Teil des Films als Mitspielerin behaupten kann; zudem wirkt das anfängliche Setting der glücklichen amerikanischen Familie so aseptisch, dass jede Störung eigentlich nur belebende Effekte haben kann.
Kaum weniger konfektioniert mutet die Fernsehfilmästhetik an, selbst wenn mit Denis Lenoir ein hervorragender Kameramann am Werk ist. Das größte Problem von „Still Alice“ ist jedoch, dass er durch und durch ein Alzheimerfilm ist: Es gibt keine Szene, keinen Dialog, ja keine noch so nebensächliche Beobachtung oder Regung, die nicht durch das Thema definiert wäre. Damit aber reduziert die Inszenierung ihre Protagonistin ganz auf ihre Krankheit und befördert gerade damit, was sie angetreten ist, eben nicht zu tun: Alices Stigmatisierung.
Esther Buss, FILMDIENST 2015/5