Rise up – Wie verändert man die Welt?
Eintritt: 5 Euro
Deutschland 2022
Kinostart: 27. Oktober 2022
92 Minuten
FSK: ab 12; f
Regie: Marco Heinig · Luise Burchard · Luca Vogel · Steffen Maurer
Drehbuch: Marco Heinig
Kamera: Steffen Maurer
Schnitt: Marco Heinig · Luise Burchard
Von diesem Filmemacher-Quartett stammt auch der Film
"Hamburger Gitter", der im Juli 2018 im achteinhalb lief.
Filmwebseite, Filmseite des Verleihs, Presseheft
alle Daten zum Film auf Filmportal.de sowie auf crew united
Kritiken:
Kritik von Gaby Sikorski für den Filmdienst (3 von 5 Sternen)
Kritik von Michael Meyns für Programmkino.de
Kritik von Bianka Piringer für Spielfilm.de (3 von 5 Sternen)
Kritik von Teresa Vena für Kino-Zeit.de
Kritik von Oliver Armknecht für Filmrezensionen.de
Kritik von Wolfram Hannemann
Kritik von Wilfried Hippen für die taz-nord
Kritik von Ronald Kohl für die Junge Welt
Kritik von Silvia Hallensleben für den Freitag
Kritik von Peter Nowak für Telepolis
Kritik von Lisa Klinkenberg für das Missy Magazin
Pressespiegel der Filmwebseite
Interview mit Regisseur Marco Heinig auf Radio Eins
Interview mit Regisseur Marco Heinig auf Radio Deutschlandfunkkultur
Interview mit Regisseur Marco Heinig auf Radio Corax
3sat-Kultur: Filmtipp
Trailer (120 Sekunden):
ausführliche Kritik von Gaby Sikorski für den Filmdienst:
Dokumentarfilm über die Bedeutung des aktiven Widerstands gegen Unrecht am Beispiel von fünf Aktivist:innen aus aller Welt.
Im urbanen Großstadtdschungel, im sich beschleunigenden Hamsterrad des Berufslebens, abhängig vom Internet, vom Luxus verwöhnt und ständig unter finanziellem Druck, dazu angesichts weltweiter Probleme mit einem stetig wachsenden schlechten Gewissen belastet, das durch Spenden und Schein-Aktivitäten beruhigt wird… Der Film „Rise Up“ beginnt mit einer Ich-Erzählerin, die ihren Alltag irgendwie bewältigt und dabei unglücklich ist. Von Ängsten geschüttelt, reagiert sie mit Panikattacken auf die immer schlechter werdenden Nachrichten aus aller Welt. Ihre Äußerungen werden von passenden schlaglichtartigen Bildern begleitet: kalte Stadtlandschaften mit Konsumtempeln, die von Bewaffneten geschützt werden, Müllhalden, Politiker, die einander zujubeln. Dazu ein Insert: EXIST.
USA, Chile, Deutschland und Südafrika
Fünf Protagonisten werden vorgestellt: Kali Akuno kommt aus Los Angeles, lebt in der von ihm begründeten Kooperative in Jackson/Missouri und ist seit seiner Jugend aktiv gegen Rassismus und Gewalt. Aufgewachsen in den Slums, kämpfte er gegen Polizeigewalt wie gegen Armut und Drogen und wurde zu einer Ikone der Bürgerrechtsbewegung. Die Chilenin Camila Cáceres war eine der feministischen Kämpferinnen bei den politischen Unruhen, die vor einigen Jahren schließlich zum Regierungswechsel in Chile führten. Marlene Sonntag aus Deutschland ist ebenfalls seit ihrer Jugend Aktivistin und unterstützt heute die kurdische Frauenbewegung. Sie lebt in einem Frauendorf in Rojava, zwischen Syrien und der Türkei, das sie mit erbaut hat.
Ebenfalls aus Deutschland kommt Judith Braband: Sie war aktiv an der politischen Wende in der DDR beteiligt. Die Südafrikanerin Shahida Issel kämpfte gegen das Apartheid-Regime. Sie ist vielleicht die beeindruckendste dieser fünf Persönlichkeiten, mit ihrer Wärme, Herzlichkeit und ihrer positiven Grundeinstellung angesichts dessen, was sie erdulden musste: Misshandlungen, Haft und Folter. Aber Shahida Issel ließ und lässt sich nicht beirren und bleibt zuversichtlich, auch wenn sie jetzt das Kämpfen lieber den Jüngeren überlässt. Doch das alte Feuer in ihr ist noch wach, wenn sie sagt: „Es gibt vieles, was ihr ändern könntet. Und ich freue mich darauf, denn ich werde an eurer Seite sein.“
Mut zu Veränderungen
Die vier Filmemacher Marco Heinig, Steffen Maurer, Luise Burchard und Luca Vogel sind Mitglieder des Regiekollektivs Leftside und haben den Film gemeinsam konzipiert und realisiert. Ausgehend davon, wie sehr angesichts der aktuellen Entwicklungen die allgemeine Hoffnungslosigkeit wächst, wollten sie einen Film drehen, der Mut macht. Mut zu Veränderungen, zum Kämpfen für Ideen und für eine bessere Zukunft.
In beinahe betäubenden Bilderfluten zeigen die Filmemacher die Schrecken der Gegenwart: das Inferno brennender Wälder, sterbende Fische, qualmende Müllberge, Polizeigewalt, hungernde Menschen, dazu sich verbrüdernde Diktatoren und eine im Luxus schwelgende High Society. Dagegen setzen sie die Ruhe und Gelassenheit der Interviews mit den Protagonisten, die mit Fotos aus ihrem Leben und historischen Archivaufnahmen visuell unterstützt werden. Sparsame Inserts (u.a. EXIST, QUIT, CONTRA, GO) strukturieren den Film zusätzlich und eher diskret.
Jeder Einzelne kann das Schicksal der Welt mitgestalten
Die Aussagekraft des Films und seine Wirkung schöpft sich dabei zum einen aus den Gegensätzen zwischen den Bildern des gegenwärtigen Grauens und dem Frieden, in dem die Protagonisten heute leben, zum anderen aber auch aus dem Grundgedanken: Wenn diese Menschen es geschafft haben, sich erfolgreich aufzulehnen und etwas zu verändern, dann ist prinzipiell jeder Einzelne dazu in der Lage, das Schicksal der Welt mitzugestalten. Auch wenn eine solche Idee naiv klingen mag, so gelingt es den Filmemachern doch, mit einer geschickt gesteuerten Dramaturgie den Film in die gewünschte Richtung zu lenken, nämlich zu der Aufforderung, selbst aktiv zu werden, sich gegen die Unterdrückung zu erheben und mit anderen Gleichgesinnten zu vereinen.
Das erinnert an klassische Agitprop-Filme, wie sie in den frühen Jahren der Sowjetunion und in China unter Mao Tse Tung entstanden, oder an Arbeiterfilme wie „Kuhle Wampe“ und liegt vor allem an einer Erzählweise, die im Wesentlichen auf zwei Ebenen stattfindet: die anonym bleibende Ich-Erzählerin, die immer wieder ihre Zweifel und Ängste formuliert, sowie die Interviews, in denen die fünf Protagonisten von sich selbst sprechen, von ihren Erfahrungen und von der Freude am Sieg. Anders als in den sowjetischen oder chinesischen Agitprop-Filmen – unvergessen die verfilmte Peking-Oper: „Mit taktischem Geschick den Tigerberg erobert“ – geht es weniger um die Schuldfrage und um die Verantwortung für die jetzige Situation, sondern mehr um individuelle Probleme: Rückschritte, Niederlagen, echte Feinde, falsche Freunde. Alle fünf haben Krisen überwinden müssen, mit denen sie ganz unterschiedlich umgegangen sind.
Bodenständig und sehr zugänglich
Dabei wirken die Persönlichkeiten weder einschüchternd noch elitär, sondern – wiederum ebenfalls ein typisches Charakteristikum von Agitprop-Filmen – bodenständig und sehr zugänglich. Das gilt besonders für Shahida Issel und Camila Cáceres, die eine besonders herzlich, die andere besonders dynamisch. Die vergangenen Jahre und Jahrzehnte des Kämpfens haben bei allen Beteiligten ihre Spuren hinterlassen. Kali Akuno sieht die USA in den nächsten Jahren in einer schweren Krise und bereitet sich auf einen Bürgerkrieg vor. Judith Braband fragt sich heute, ob die friedliche Revolution in der DDR vielleicht ein Fehler war. Sie träumt noch immer von einem anderen, besseren Sozialismus, den die Frauen von Rojava und mit ihnen Marlene Sonntag vielleicht schon leben. Die namenlose Ich-Erzählerin steht symbolisch für alle, die sich fragen, ob und wie in der heutigen Zeit tiefgreifende Veränderungen zum Besseren möglich sein könnten. Der kämpferische Schluss zeigt ihr und allen anderen die mögliche Lösung, die sich bereits im Filmtitel findet.