Michael Kohlhaas

Freitag, 04. April 2014 - 20:30

Eintritt: 5,00 €

Frankreich/Deutschland 2013
Kinostart: 12. September 2013
117 Minuten
FSK: ab 12; f
FBW: besonders wertvoll 
Produktion: Serge Lalou, Martina Haubrich, Gunnar Dedio    
Regie: Arnaud des Pallières    
Drehbuch: Christelle Berthevas, Arnaud des Pallières    
Vorlage: Heinrich von Kleist (Novelle "Michael Kohlhaas")    
Kamera: Jeanne Lapoirie    
Musik: Martin Wheeler, Les Witches    
Schnitt: Sandie Bompar, Arnaud des Pallières  
Polyband über 24Bilder, Cinemascope, 8W41
 
Darsteller: Mads Mikkelsen (Michael Kohlhaas), Mélusine Mayance (Lisbeth), Delphine Chuillot (Judith), David Kross (Prediger), Bruno Ganz (Gouverneur), Denis Lavant (Theologe), Roxane Duran (Prinzessin), Paul Bartel (Jérémie), David Bennent (César), Swann Arlaud (Baron), Sergi Lopez (Manchot), Amira Casar (Äbtissin), Jacques Nolot (Advokat) 

Übrigens ein Wiedersehen nicht nur mit dem überragenden Mads Mikkelsen und mit Bruno ganz, sondern auch mit David Bennent (Oskar Matzerath in der Verfilmung von "Die Blechtrommel" von Volker Schlöndorff im Jahre 1979). Auch Sergi Lopez dürfte dem einen oder anderen bekannt sein.

Filmhomepage, Wikipedia, Programmkino.de, Filmgazette, epd Film, alle Daten zum Film auf Filmportal.de 

Auszeichnung mit je einem César 2014 für die Beste Filmmusik und den Besten Ton

Kurzkritik Filmdienst

 Der Pferdehändler Michael Kohlhaas wird zum Opfer staatlicher Willkür. Nachdem ihm auch die Justiz sein Recht verweigert, beginnt er mit Anhängern und Rebellen aus der Bevölkerung einen Feldzug gegen die Herrschenden. Heinrich von Kleists gleichnamige im 16. Jahrhundert angesiedelte Novelle wandelt sich zur zeitlosen philosophischen Reflexion über Gerechtigkeit, Unterdrückung und Widerstand. Der französische Regisseur Arnaud des Pallières verlegt die Handlung in die karge Landschaft der Cevennen, die er in majestätischen Bildern intensiv einfängt und die er zu einem konzentrierten Neo-Klassiker mit deutlichen Anleihen beim Western verdichtet. (Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 14.

Trailer:

ausführliche Kritik Filmdienst

 Ein nur knapp verfehlter Showdown eröffnet den Film. Bedrohlich sich steigernde Trommeln. Ein Mann reitet in Begleitung eines Knechts mit einer Herde prächtiger Pferde durch eine imposante Landschaft, auf der anderen Seite errichten Männer in einem Wald einen Schlagbaum, es kommt zur Konfrontation. Von dieser ersten, duellähnlich inszenierten Begegnung zwischen dem Pferdehändler Michael Kohlhaas und dem Verwalter des neuen Baron, der willkürlich einen Passierschein verlangt und Kohlhaas zwei seiner Rappen als Pfand abnimmt, die er später völlig zerschunden zurückerhält, baut sich die Geschichte um Kohlhaas und seinen erbitterten Kampf um Gerechtigkeit auf. Nachdem Staat und Justiz ihm sein Recht verweigert haben, nimmt er das Gesetz selbst in die Hand. „Ich will meine Pferde im alten Zustand zurückhaben“, lautet Kohlhaas’ wiederholte Forderung, die nicht nur seine Frau das Leben kostet, sondern einen blutigen Feldzug mit Anhängern und Rebellen aus der Bevölkerung gegen die Herrschenden nach sich zieht.
Heinrich von Kleist hat Kohlhaas in seiner gleichnamigen, 1810 geschriebenen und Mitte des 16. Jahrhunderts angesiedelten Novelle einen der „rechtschaffensten“ und zugleich „entsetzlichsten Menschen seiner Zeit“ genannt. Auch Arnaud des Pallières fragt in seiner Verfilmung, wo Prinzipientreue und moralische Integrität aufhören und blinder Gerechtigkeitsfanatismus beginnt. Dass des Pallières bei der Besetzung seiner Hauptfigur ausgerechnet ein Pendant zu Clint Eastwood im Sinn hatte („nur mindestens dreißig Jahre jünger“), sagt einiges über die (auch ästhetische) Ausrichtung des Films. Nicht nur die Figurenzeichnung, auch die Inszenierung der Orte und das visuelle Vokabular sind eindeutig dem Western entlehnt – mitunter sieht man sich gar an die epischen Rachegeschichten eines Anthony Mann erinnert.
Mads Mikkelsens wie in Stein gemeißelten Gesichtszüge finden sich dabei in den Landschaften der Cevennen wider, in die des Pallières die Handlung von Brandenburg und Sachsen verlegt hat – eine karge Region, in der sich Bergmassive mit Hochplateaus und tiefen Schluchten abwechseln. Jeanne Lapoirie fängt sie in majestätischen Cinemascope-Bildern ein, wobei der Film immer wieder harte, wenn auch dynamische Schnitte setzt: zwischen imposanten Totalen, die die raue Schönheit der Landschaft erfassen, und intimen Nahaufnahmen, in denen sich die Erzählung zum Porträt menschlicher Beziehungen verdichtet (im Vordergrund: das Verhältnis von Kohlhaas zu seiner Tochter Lisbeth). Mitunter werden Bild und Ton zu purer physischer Präsenz: man hört das Summen der Insekten, das Schnauben der Pferde, den heulenden Wind. Die in sattem Sonnenlicht getränkte Natur – in einer großartigen Szene lösen sich die Bilder eines Waldes in ein Flirren von Farben und Bewegungen auf – verbindet sich nahezu organisch mit Mensch und Tier (und insbesondere dem Pferd).
Auch wenn Kleist in seiner Novelle den Konflikt zweier Rechtsauffassungen verhandelte – der des Mittelalters und der Aufklärung –, ist sein „Michael Kohlhaas“ als philosophische Reflexion über Gerechtigkeit, Unterdrückung und Widerstand ein zeitloser Stoff. Arnaud des Pallières Version forciert weder einen konkreten Gegenwartsbezug noch bleibt er in vager Allgemeinheit stecken – vor allem seine Konzentration und Kargheit machen den Film zu einem Neo-Klassiker im besten Sinn.

Esther Buss, FILMDIENST 2013/19