Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes
Eintritt: 5,00 €
Deutschland 2018
Kinostart: 14. Juni 2018
96 Minuten
FSK: ab 0; f
Regie/Buch/Produktion: Wim Wenders
Kamera: Lisa Rinzler
Musik: Laurent Petitgand
Schnitt: Maxine Goedicke
FBW: Prädikat besonders wertvoll
Darsteller:
Papst Franziskus, Ignazio Oliva Franz von Assisi, Carlo Faconetti Erster Glaubensbruder, Daniele De Angelis Zweiter Glaubensbruder
Filmhomepage, Facebookseite, Wikipedia, alle Daten zum Film auf Filmportal.de
Pädagogisches Material zum Film:
Stiftung Lesen
Filmtipp von Vision Kino
Kinofenster.de
Kritiken:
Kritik von Anke Sterneborg im Filmagazin EPD (4 von 5 Sternen)
Kritik von Dieter Oßwald auf Programmkino.de
Kritik von Philipp Stadelmaier in der Süddeutschen Zeitung
Kritik von Bert Rebhandl in der FAZ
Kritik von Hanns-Georg Rodek in der Welt
Kritik von Tim Caspar Boehme in der taz
Kritik von Maria Wiesner auf Kino-Zeit.de
Kritik von René Martens in der Zeit
Kritik von Rüdiger Suchsland auf Telepolis
Kritik von Daniel Kothenschulte in der Frankfurter Rundschau
Kritik von Björn Hayer in der Neuen Züricher Zeitung
Kritik von Bert Rebhandl im Wiener Standard
Deutschlandfunkkultur
Interview mit Wim Wenders von Gudrun Sailer im Filmdienst
Interview mit Wim Wenders von Christiane Peitz im Tagesspiegel
.
Kurzkritik Filmdienst
Ein Porträt von Jorge Mario Bergoglio, der seit 2013 als Papst Franziskus Oberhaupt der katholischen Kirche ist. Regisseur Wim Wenders will damit einen Film mit, nicht über den Papst inszenieren und macht ihn zu einer Plattform, über die der Papst für ihn zentrale Botschaften vermittelt: Die Forderung nach Solidarität mit den Armen und nach einem respektvollen Umgang mit der Schöpfung sowie von Menschen, Nationen und Religionen miteinander – im Geist von Bergoglios “Namensgeber” Franziskus von Assisi, dessen Vorbild mittels Sequenzen, die wie Passagen aus einem Stummfilm-Porträt des Heiligen inszeniert sind, heranzitiert wird. Wenders verwebt Archivaufnahmen von Reisen und Reden des Papstes mit Passagen aus vier langen Gesprächen, die er im Verlauf von zwei Jahren mit ihm führte, und macht daraus eine intensive Begegnung, die auf kritische Distanz bewusst verzichtet, um mittels Film jene Nähe herzustellen, die Franziskus selbst als Kern seiner pastoralen Arbeit sieht.
Rainer Gansera (4 von 5 Sternen)
Trailer (91 Sekunden):
ausführliche Kritik Filmdienst
Wim Wenders, 72, einst Vorkämpfer des Neuen Deutschen Films, heute Galionsfigur des internationalen Autorenkinos, bekennt in einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger, dass Papst Franziskus für ihn eine „utopische“ Gestalt sei: „Er ist eine Gegenfigur zu fast allen Politikern heute. Ein Mensch, der tatsächlich das Gemeinwohl und nicht nur seine eigenen Interessen, also die der eigenen Kirche vertritt, wie etwa sein bedingungsloser Einsatz in der Frage des Klimawandels zeigt.“
In seinem spannenden, aufwühlenden Franziskus-Porträt zeichnet Wenders das Oberhaupt der katholischen Kirche als einen Mann, der die Herausforderungen seines „Lieblingsheiligen“ Franz von Assisi ernst nimmt und sich vor allem für zwei Prozesse der Umkehr einsetzt: für die Abwendung von einer Macht- und Prachtkirche hin zur Solidarität mit den Armen („Solange eine Kirche ihre Hoffnung daraufsetzt, reich zu sein, ist Jesus nicht darin zuhause!“), und für die gesellschaftliche Abkehr von der Naturzerstörung hin zu einem bewahrenden Umgang mit der Schöpfung – im Geist jener geschwisterlich-innigen Sicht der Schöpfung, wie sie der Poverello aus Assisi in seinem „Sonnengesang“ ausdrückte.
Mit wuchtigen, beklemmenden Bildern und einem knappen, von ihm selbst gesprochenen Kommentar skizziert Wenders im Prolog die Gefahren und Übel unserer Zeit: Hass, Gewalt, Terror, Kriege, Umweltkatastrophen. Dann ein Ausschnitt aus der legendären Rede, die Franziskus im Dezember 2014 vor der Kurie hielt. Eine Gardinenpredigt im wahrsten Sinn des Wortes. Der Papst beklagt eine stattliche Anzahl von „Kurienkrankheiten“: Opportunismus, Eitelkeit, Habgier, Unfähigkeit zur Selbstkritik, auch „spirituellen Alzheimer“ und „Totengräbermiene“ zählt er dazu.
In den verstörten Reaktionen der Gescholtenen ahnt man etwas von dem Schock und den Anfeindungen, die damals von dieser Rede provoziert wurden. Doch darauf geht Wenders nicht näher ein. Innervatikanische Spannungen sind für ihn kein Thema, er verdeutlicht, worum es Franziskus geht, welche Zeichen und Gesten ihm wichtig sind, und so kontrastiert er die Kurienschelte mit Szenen, in denen dem Papst spontane Herzlichkeit entgegenkommt: wenn er Gefangene in Strafanstalten besucht, unangekündigt in Flüchtlingslagern auftaucht oder Opfern von Naturkatastrophen Trost zuspricht. Wenders verwebt Archivaufnahmen von zahlreichen Reisen und Reden des Papstes mit Passagen aus vier langen Gesprächen, die er im Verlauf der letzten zwei Jahre mit ihm führen konnte. Immer spürt man die Sympathie und Komplizenschaft, die er ihm entgegenbringt.
Dokumentationen von Wim Wenders sind keine journalistischen Diskurse, sondern Porträts, die freundschaftlicher Resonanz entspringen. Sie erzählen von Begegnungen mit Menschen, die er schätzt und verehrt und deren Werk er zur Geltung bringen will. So hat er Nicholas Ray („Nicks Film – Lightning Over Water“, 1980) porträtiert, die kubanischen Musiker des „Buena Vista Social Club“ (1999), die Choreografin Pina Bausch („Pina“, 2011), den brasilianischen Fotografen Sebastiao Salgado („Das Salz der Erde“, 2014), und so kann er nun auch seinem Franziskus-Porträt, bei allem gebotenen Respekt gegenüber Person und Amt, schöne Konturen der Nähe und des Einverständnisses verleihen. Dabei kommt Wenders entgegen, dass Papst Franziskus über einen Charme der Offenheit und Direktheit verfügt, der den Zugang zu ihm auch für Menschen außerhalb des katholischen Universums wie von selbst ermöglicht.
Im letzten Drittel, wenn sich die offiziellen Auftritte des Papstes häufen – seine Rede vor der UNO, vor dem US-Kongress, seine Besuche, die der Verständigung zwischen den Religionen dienen – entsteht der Eindruck einer zu absolvierenden Routine. Hier würde man sich wünschen, dass sich Wenders Einschübe gestattet hätte, die seine Begegnung mit Franziskus auch aus ganz persönlicher Sicht schildern. Die Scheu, sich in den Vordergrund zu schieben, mag ihn davon abgehalten haben, aber es wäre eine willkommene Auflockerung in der Parade des Offiziellen gewesen.
Insgesamt aber bleibt „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ eine bewegende Reise mit vielen Momenten aufblitzender Spontaneität und packender Intensität. Im Kern geht es um ein Thema: Nähe und Anteilnahme. In diesem Thema berühren sich innerste Impulse des Filmemachers und des Papstes. Man erinnere sich an die Wenders-Engel im „Himmel über Berlin“: sie wollen keine ätherischen Wesen bleiben, die Menschenschicksale nur aus der Distanz betrachten, sie wollen zu geerdeter Liebe und Zärtlichkeit fähig werden. Und in seiner diesjährigen Gründonnerstagspredigt zur pastoralen Arbeit hat Papst Franziskus ausführlich von der „Nähe und Zärtlichkeit eines guten Hirten“ gesprochen. Nähe, sagte er, sei nicht die Bezeichnung einer besonderen Tugend, vielmehr eine Haltung, die die gesamte Person betreffe: „Nähe ist Schlüssel der Barmherzigkeit und auch Schlüssel der Wahrheit.“
Rainer Gansera