Königin von Niendorf (im Rahmen des Ferienpassangebots der Stadt Celle)

  Montag, 06. August 2018 - 14:00 bis - 15:15

Eintritt: 3 €

Jugendfilm
Deutschland 2017
Kinostart: 15. Februar 2018
67 Minuten
FSK: ab 0; f

Regie: Joya Thome
Drehbuch: Joya Thome und Philipp Wunderlich
Kamera: Lydia Richter
Musik: Conrad Oleak
Schnitt: Carola Sultan Bauermeister und Joya Thome 

Darsteller:
Lisa Moell (Lea) · Denny Sonnenschein (Nico) · Salim Fazzani (Robert) · Ivo T. Michligk (Paul) · Moritz Riek (Moritz) · Elias Sebastin (Leon) · Mex Schlüpfer (Mark) · Sophie Kluge (Bürgermeisterin) · Cornelius Schwalm (Feuerwehrmann) · Til Schindler (Tim) · Tino Mewes (Tom) · Ceci Chuh (Emma)

 

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Kritik von Bianka Piringer auf Kino-Zeit.de
Kritik von Axel Timo Purr auf artechock

Pädagogisches Material:
Kinofenster: Film des Monats
Vision Kino
Kinderfilmwelt
FBW-Jugend-Filmjury

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.

Kurzkritik Filmdienst
Ein zehnjähriges Mädchen verbringt die Sommerferien in Brandenburg ohne seine Freundinnen. Neben Streifzügen mit dem Fahrrad versucht sie einem befreundeten Außenseiter zu helfen und sucht Anschluss an eine Gruppe von Jungs. Doch um in deren Bande aufgenommen zu werden, muss sie mehrere Mutproben bestehen. Der via Crowdfunding finanzierte Debütfilm erzählt mit vielen stimmigen Detailbeobachtungen und einem fast altmodischen Gespür für eine zeitenthobene Spanne von den alltäglichen Abenteuern Heranwachsender. Besonders fasziniert dabei das Spiel der jungen Hauptdarstellerin, die ihrer Figur unerwartet melancholische Anmutungen verleiht.
Ulrich Kriest

Trailer (104 Sekunden):

ausführliche Kritik Filmdienst
Das provinzielle Abseits als sicherer Ort, wo Kindheit sich vielleicht noch so anfühlt oder zumindest nostalgisch so entwerfen lässt, wie sie Ältere aus Kinder- und Jugendbuchklassikern erinnern mögen: mit Abenteuern und Sensationen jenseits digitaler Verlockungen und der Erwachsenenwelt. Mit endlosen Tagen, sommerlichen Schwimmbadbesuchen, den Händeln mit konkurrierenden Cliquen, ausgedehnten Fahrradtouren, Baumhütten, Flößen, mächtigen Sommergewittern und Mutproben.
Im brandenburgischen Niendorf brechen die Sommerferien an, doch die Vorfreude der zehnjährigen Lea hält sich spürbar in Grenzen. Ihre Freundinnen sind in letzter Zeit etwas „komisch“ geworden, interessieren sich plötzlich für Jungs oder fürs Schminken und nicht mehr fürs Sommercamp. Damit liegt ein langer Sommer vor Lea, die sich die Zeit alleine vertreiben müsste, wenn es nicht den etwas exzentrischen, ihr gegenüber aber stets freundlichen Aussteiger Mark Wagenburg und die fünf Jungs von der Kartoffelbande gäbe, die immerhin über ein Baumhaus und ein Floß verfügen.
Aber die Kartoffelbande ist erklärtermaßen eine „Jungsbande“ mit einem bündigen Ehrenkodex. Zum Glück gibt ihnen gerade das „Mysterium von Niendorf“ zu denken. Ein Feuerwehrmann, der die Ferien nutzt, um seine Zwillinge sportiv zu drillen, schließt sich jeden Abend Punkt 20 Uhr in seinem Keller ein. Die Kartoffelbande hat ihn dabei regelmäßig beobachtet. Ist der Feuerwehrmann ein Spion? Oder ein Entführer, der sein Opfer bei Wasser und Brot im Keller gefangen hält? Lea hätte die ideale Statur, um durchs schmale Kellerfenster einzusteigen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Wäre das nicht die passende Mutprobe, um bei ihnen mitzumachen?
Die junge Filmemacherin Joya Thome hat ihr schmal budgetiertes Spielfilmdebüt via Crowdfunding finanziert, weil der Zeit raubende Gang durch die Förderinstanzen nicht zuletzt die faszinierende Hauptdarstellerin Lisa Moell durchs bloße Altern beschädigt hätte. Eine mutige und sehr kluge Entscheidung, denn Moells geradezu stoisches Spiel und ihre zutiefst melancholische Anmutung sind das Kapital, auf das der Film bauen kann. Aufgrund ihrer sehr eigenen, schon nicht mehr kindlichen Ernsthaftigkeit glaubt man gerne, dass Lea den Jungs nicht verrät, was sie im Keller des Feuerwehrmannes tatsächlich beobachtet hat. Stattdessen denkt sie sich etwas aus, das wiederum auf das Kind in Lea weist.
Der Film lässt in der Schwebe, an welches Publikum er sich richtet. Er folgt einerseits der Perspektive der Kinder, die bei ihren Abenteuern die Erwachsenen nur am Rande wahrnehmen und selbst auch nicht wahrgenommen werden. Andererseits gibt es aber eine im Film durchaus präsente Welt der Erwachsenen, sei es die finanzielle Malaise des Aussteigers Wagenburg und die Versuche der Kartoffelbande, ihm im Kampf gegen die Bürgermeisterin zu helfen, sei es das mühsam-zögerliche „Coming out“ des Feuerwehrmanns.
Weil das alles nicht sonderlich aufregend ist und sein soll, nimmt sich der Film viel Zeit, um mit stimmigen Einzelbeobachtungen von einem der Zeit enthobenen, aber nicht sonderlich spektakulären und auch nicht verzauberten Sommer auf dem Lande zu erzählen. Und von den Konflikten innerhalb der Bande. Denn deren Anführer Nico registriert durchaus argwöhnisch den Einbruch Leas in sein Revier. Instinktiv misstraut er Leas Geschichte vom Geheimnis des Feuerwehrmanns und fordert eine weitere Mutprobe, aus der Lea gestärkt hervorgeht. Die finale Einstellung zeigt Lea als „prima inter pares“, die dem Rest der Band vorneweg radelt; erstmals trägt ihr Gesicht den Anflug eines Lächelns. Das tröstet dann auch darüber hinweg, dass der Film zuvor betont nebenbei und etwas penibel einige lose Erzählfäden wieder eingefangen hat.
Ein wenig aus dem Rahmen fällt dafür die Auswahl der Filmmusik mit einem Song von Tocotronic, einer Cover-Version eines „Noir Désir“-Songs von Sophie Hunger und insbesondere die Live-Performance „Germanisch Depressiv“ von Wagenburg-Darsteller Mex Schlüpfer, die als eine Art Meta-Ebene eine weitere Perspektive formuliert, was so gar nicht zur reflektierten Naivität des Films passen will.
Ulrich Kriest