66 Kinos – Eine Reise durch die deutsche Kinolandschaft (Regisseur Philipp Hartmann zu Gast)

  Dienstag, 13. Februar 2018 - 19:00 bis - 21:30
66 Kinos - Eine Liebeserklärung an den immer noch schönsten Ort für Filme
Anschließend Filmgespräch mit Regisseur Philipp Hartmann im Kino achteinhalb


Aus Philipp Hartmanns 12-monatiger Reise durch 66 deutsche Programmkinos entsteht ein von persönlichen Begegnungen und Erfahrungen geprägter dokumentarischer Essay, der den Status quo der deutschen Kinokultur beschreibt und sich zugleich Gedanken über den Stellenwert des Kinos als gesellschaftlichen Ort der Gegenwart und Zukunft macht. Hartmann nennt sein Projekt auch eine "Reise durch die deutsche Kinolandschaft" und meint damit die Spielstätten, in denen Filme erst richtig zum Leben erweckt werden. Hartmann lässt dabei das vielschichtige Bild einer äußerst lebendigen und zugleich in diversen Umbrüchen befindlichen Kinolandschaft entstehen. Zugleich ist sein Film eine Hommage an jene Menschen, die diese Form der Kinokultur überhaupt möglich machen. Philipp Hartmanns »Reise durch die deutsche Kinolandschaft« ist ein Muss für alle Kinoliebhaber.
 
Viele kleine, unabhängig produzierte Filme finden heute gar keinen Verleih mehr und schaffen es nicht ins Kino. Philipp Hartmann stellt sich mit seinem One-Man-Show-Konzept dagegen - er hat nicht nur Regie geführt, sondern den Film auch produziert, im Selbstverleih die Werbetrommel gerührt und tourt von Stadt zu Stadt, um seinen Film persönlich zu präsentieren. Heute führt ihn seine Tour nach Celle ins Kino achteinhalb.

ANKÜNDIGUNG in Celle Heute

Flumenfilm, die Webseite der Produktionsfirma von Philipp Hartmann.

 

Eintritt: 5 Euro

Dokumentarfilm Deutschland 2016
Kinostart: 22. Oktober 2017
98 Minuten

Produktionsfirma & Verleih: Flumenfilm
Regie, Produktion, Drehbuch, Kamera: Philipp Hartmann
Musik: Johannes Kirschbaum
Schnitt: Philipp Hartmann, Herbert Schwarze, Maya Connors
FBW: Prädikat wertvoll

Filmhomepage, EPD-Film, alle Daten zum Film auf Filmportal.de
Kritik von Sofia Glasl in der Süddeutschen Zeitung
Kritik von Joachim Kurz auf Kino-Zeit.de

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.
Kurzkritik Filmdienst
Dokumentarfilm über deutsche Programmkinos und ihre Betreiber. Während der Kinoauswertung seines Films „Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe“ (2013) reiste der Filmemacher Philipp Hartmann quer durch die Republik und filmte dabei die Spielstätten und ihre Besitzer für sein Filmessay. Aus dem Material entstand ein ebenso persönliches wie sentimentales, unterhaltsames wie erhellendes Porträt der Off-Kinolandschaft in Deutschland. Zugleich ist sein Film eine Hommage an jene Menschen, die diese Form der Kinokultur überhaupt möglich machen.
Sehenswert ab 14.
Julia Teichmann, FILMDIENST 2017/21

Trailer (116 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst
In der Wohnung scheint die Zeit in den 1960er-Jahren stehen geblieben zu sein, mit der Sitzgruppe um das niedrige Tischchen, einer blau-weiß-orange karierten Tischdecke und alten Fotos an den Wänden. In dieser Gästewohnung des Delphin-Palasts in Wolfsburg hat schon Romy Schneider übernachtet. Ein leicht morbides, aber hinlänglich kinotaugliches Detail sind die Bademäntel der ehemaligen Kinobetreiber, die noch immer im Bad hängen. Jetzt nächtigt hier Philipp Hartmann. Der Hamburger Filmemacher ist mit seinem Film-Essay „Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe“ unterwegs auf Kinotour und hat daraus gleich seinen nächsten Film gemacht.

„66 Kinos“ ist gar nicht so weit entfernt von Hartmanns Essay über die Zeit: Auch hier geht es um Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, allerdings um die des Kinos und der Kinos, die Hartmann porträtiert. Naturgemäß können das nicht alle 66 Spielstätten sein, die der Regisseur auf seiner Tour durch Deutschland besucht hat. Für den Film musste er eine schwierige Auswahl treffen, die sich so offenkundig wie dramaturgisch richtig an Eckpunkten orientiert, etwa dem Sendungsbewusstsein oder der Weitsicht der Betreiber, an der Exotik oder Historie des Ortes, an ihrem Charme, aber auch der Organisationsform sowie den diversen Überlebensstrategien und Programm-Schwerpunkten – und natürlich am großen Bogen, der aus der Vergangenheit in die Zukunft weist.

Persönliche Gründe spielen auch eine Rolle. Der Filmemacher kommentiert aus dem Off und lässt den Film in der Kinemathek in Karlsruhe beginnen, wo er herstammt. Man lernt auch das mit 18 Plätzen kleinste Kino Baden-Württembergs in einem Kloster kennen: das Subiaco in Alpirsbach. Dort stehen Sofas und Sessel im ehemaligen Empfangssaal des Abtes; im Gemeindesaal finden die Kino-Cafés statt, in der Gemeindeküche findet sich ein „Spendentöpfle“.

Viele Kinos spielen noch 35mm-Kopien. Häufig sehen die Programmkino-Macher die Zukunft des Kinos in einem musealen Kontext; hier würden keine Filme „abgespielt“, sondern ausgestellt. Man müsse sich von einer Kosten-Nutzen-Rechnung lösen, respektive einer dementsprechenden Erwartung. Nicht wenige der Kinos werden von der hauseigenen Gastronomie subventioniert. In Bühl konnte sich der Kinobetreiber, ein ehemaliger, auf „amerikanische Schlitten“ spezialisierter KFZ-Mechaniker, nicht von seinem 35mm-Projektor trennen; das hätte ihm „in der Seele wehgetan“. Da steht er nun, der Projektor, ein Dinosaurier, ungenutzt seit 2011. In diesen Momenten atmet „66 Kinos“ ein wenig von der Melancholie in Uli Gaulkes wunderbarem „Comrades in Dreams – Leinwandfieber“, einer Liebeserklärung an die aussterbende analoge Projektion.

„66 Kinos“ ist eine Hommage ans Kino, an die Leidenschaft der Kinomacher, für die der Beruf häufig auch Selbstausbeutung bedeutet. Das sei „Labour of Love“, erklärt Bernd Bremer vom Münchner Werkstattkino, der ein Kellerkino mit einem so mitreißenden wie tiefgründigen Programm betreibt, das mitten im durchgentrifizierten Herzen der Stadt überlebt hat und von einem Kollektiv verwaltet wird. Dort entdeckt man während der Filmvorstellung plötzlich den eigenen Nachbarn in der ersten Reihe. „66 Kinos“ ist auch ein Manifest, das ruft: „Geht mit dem Kinoprogramm in der Hand auf die Straße und begebt Euch ins nächste Programmkino. Nicht erst morgen. Jetzt!“

Julia Teichmann, FILMDIENST 2017/21