FINSTERWORLD

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  Freitag, 13. Dezember 2013 - 20:30 bis Freitag, 13. Dezember 2013 - 22:30

Ort: Kino achteinhalb

http://www.finsterworld.de/

Kategorien: 1SE, deutscher Film, Film, Archiv, Filmpreis, Spielfilm, Deutscher Filmpreis - Lola, Preis der deutschen Filmkritik, 2013, Deutscher Regiepreis Metropolis, Deutscher Schauspielerpreis, NS

Treffer: 2065


Eintritt: 5,00 €

Deutschland 2013
Kinostart: 17. Oktober 2013
91 Minuten
FSK: ab 12 J.
FBW: besonders wertvoll

Regie: Frauke Finsterwalder    
Drehbuch: Frauke Finsterwalder, Christian Kracht (u.a. Faserland)
Kamera: Markus Förderer    
Musik: Michaela Melián    
Schnitt: Andreas Menn    
Verleih: Alamode über Filmagentinnen

Darsteller: Ronald Zehrfeld (Tom), Sandra Hüller (Franziska Feldenhoven), Michael Maertens (Claude Petersdorf), Margit Carstensen (Frau Sandberg), Corinna Harfouch (Inga Sandberg), Bernhard Schütz (Georg Sandberg), Johannes Krisch (Einsiedler), Christoph Bach (Lehrer Nickel), Carla Juri (Natalie), Leonard Schleicher (Dominik), Jakub Gierszal (Maximilian), Dieter Meier (Pelzhändler), Max Pellny (Jonas)

Filmhomepage, WIKIPEDIA, Filmseite des Verleihs Alamode, Programmkino.de, alle Daten zum Film auf Filmportal 
FILMGAZETTE 10 von 10!!!!!!!!!, Filmgazette zwei 
Pressespiegel
World Film Festival Montréal: Bronze-Zenith für den besten Debütfilm
Zürich Film Festival: Goldenes Auge für den besten deutschsprachigen Spielfilm und Preis der Schweizer Filmkritik

Kurzkritik Filmdienst

Eine satirisch-episodenhafte Tragikomödie um eine Handvoll zynisch-eitler Zeitgenossen, deren Treiben sich zum Zerrbild der deutschen Wohlstandsgesellschaft verdichtet. Mit großer parodistischer Energie und Freude an doppelbödigen Dialogen inszenierter Reigen, der dramaturgisch bisweilen etwas bemüht wirkt, durch seine nadelstichpräzisen Beobachtungen und den Mut beim Benennen nationaler Eigenheiten aber dennoch eine große diagnostische Kraft entfaltet. Ein wohltuend anstößiger, glänzend besetzter Debütfilm, der sich an einem schwarzen Humor made in Germany versucht und Heimatsatire wie Kuriositätenkabinett gleichermaßen bedient. - Sehenswert ab 16.

ausführliche Kritik Filmdienst

Selten war der Titel eines Films so programmatisch wie bei diesem Spielfilmdebüt, eine Mixtur aus dem Nachnamen der Dokumentarfilmregisseurin Frauke Finsterwalder und dem Roman „Faserland“ ihres Ehemannes Christian Kracht. Sein Generationsporträt aus dem Jahr 1995 las sich seinerzeit als eine Deutschlandvermessung der befreiend desillusionierten Art, geschrieben aus der Sicht eines sozial privilegierten Twentysomething-Helden, der sowohl gegen die eigene, im exklusiven Konsum ihr Heil suchende Schicht als auch gegen die realitätsfremde Weltverbesserungsromantik der 1968er-Lehrergeneration mit beißend ambivalentem Spott anschrieb und dabei unter der endlosen Party-Oberfläche zwischen Sylt und München ein schmerzgesättigtes Unbehagen an der postmodernen Gegenwart einfing. Umso erstaunlicher ist es, dass seine unverwechselbare Sicht auf die um Sinnfragen ringende deutsche Wohlstandsgesellschaft auch knapp 20 Jahre später immer noch funktioniert und mit nadelstichpräzisen Beobachtungen aufzuwarten vermag. Die Kamera taucht das Angela-Merkel-Land von heute in die lichtgewärmten Farben eines verlogenen Heile-Welt-Werbeclips, während die Figuren hinter ihrer funktionstüchtigen Fassade in tiefer Traurigkeit zu versinken scheinen. Die Ingredienzen dieser mit einem Song von Cat Stevens und Bildern vom deutschen Wald eingeführten Heimat-Satire stammen unverkennbar aus Krachts eigenwilligem Provokations-Baukasten, allen voran die Konstellation um die Eliteinternat-Schüler, die von ihrem links angehauchten Lehrer (gespielt von Christoph Bach), zur Konfrontation mit der deutschen Geschichte in ein ehemaliges KZ gezerrt werden. Die verordnete Moral-Lektion quittieren die verzogenen Leistungsträgerkinder mit zynischen „krass“-Kommentaren und pietätlosen Späßchen, indem sie eine schlagkräftig Paroli bietende Mitschülerin (Carla Juri) aus Rache an ihrer geistigen Überlegenheit in einen Verbrennungsofen sperren und die grausame Tat dem in seinem gutmütigen Aufklärungsseifer heillos überforderten Lehrer in die Schuhe schieben. Weitere Mitspieler in dem zwischenmenschlichen Gruselkabinett sind ein exzentrischer Fußpfleger, der einer vernachlässigten Altenheim-Seniorin (Margit Carstensen) in Sachen Fuß- und Seelenmassage zu Diensten ist, deren treuloser Sohn samt seiner chronisch über den deutschen Servicenotstand nörgelnden Ehefrau als selbstbesoffenes Autisten-Paar, das in einem gepanzerten Geländewagen über die Hässlichkeit der Umwelt und die Gründe für die Unbeliebtheit der Deutschen im Ausland sinniert; überdies ein Mitschüler ihres bis zur Karikatur germanisch sadistisch auftretenden Filius, der von der Klassenfahrt aus Liebeskummer desertiert, und, wie es der Zufall eines abenteuerlich gestrickten Episodenfilms will, von einem Wald-Eremiten erschossen wird, dem die Zerstörung seiner liebevoll selbstgebauten Holzbehausung durch Unbekannte reichlich zugesetzt hat. Zu guter Letzt ein ungleiches Pärchen, eine selbstzentrierte und verbissen mit den Tücken ihres Berufs hadernde Dokumentarfilmerin, und ein im Privaten unterforderter, zur bizarren Travestie neigender Polizist, die in aufs Komischste zugespitzten Dialogen ihren täglichen Beziehungswahnsinn zelebrieren. Allein schon diese schonungslos auf den Spuren von Woody Allen austeilenden Kampfszenen zwischen Sandra Hüller und Ronald Zehrfeld sind des Hinkniens wert. Doch nicht alles glänzt in diesem tragikomischen Reigen über Liebesentzug und seine abgründig-fatalen Konsequenzen. Mancher Abstecher in die Toiletten-Philosophien heranwachsender „High Potentials“ ermüdet ebenso wie die allzu selbstläuferischen Witze auf Kosten irrwitziger Heimatlieder. Der einen oder anderen Ekelepisode hätte man finsterere Akzente gewünscht. Die bittere Pille kommt gelegentlich zu geschmacksneutral daher. Es hätte hinter dem grotesken Selbstschutz einer tiefliegenden Tristesse ruhig noch mehr schmerzen können. Dank der vorbildlich ausgewählten Schauspieler aber, von der grandios zynisch verhärteten Corinna Harfouch bis zum stumm-intensiv aufspielenden Johannes Krisch als der menschlichen Bosheit überdrüssiger Einsiedler ist trotzdem ein Stück großes Diagnose-Kino entstanden, das vor der Benennung deutscher Eigenheiten nicht zurückschreckt und sich dabei an so etwas wie schwarzen Humor made in Germany versucht. Eine toxisch anziehende Erstlingsperle, die bei diesem sich fruchtbar ergänzenden Gespann auf Großes hoffen lässt.
Alexandra Wach