Freitag, 26. Januar 2018 - 20:30 bis - 22:15
mit François Cluzet
Hier mein Mailwechsel mit dem Verleih über diesen Film
Eintritt: 5,00 €
LA MÉCANIQUE DE L'OMBRE
Frankreich 2016
Kinostart: 23. November 2017
91 Minuten
FSK: ab 12
Regie: Thomas Kruithof
Buch: Thomas Kruithof, Yann Gozlan
Kamera: Alex Lamarque
Musik: Grégoire Auger
Schnitt: Jean-Baptiste Beaudoin
Darsteller:
François Cluzet (Duval), Alba Rohrwacher (Sara), Denis Podalydès (Clément), Sami Bouajila (Labarthe), Simon Abkarian (Gerfaut), Philippe Résimont (De Grugy), Daniel Hanssens (Albert), Bruno Georis (Labarthes rechte Hand), Olivier Bony (Nachbar), Angelo Dello Spedale (Pernot)
Filmhomepage, WIKIPEDIA, EPD-Film, Programmkino.de
Kritik von Gregor Torinus auf artechock film
Kritik von Joachim Kurz auf Kino-Zeit.de
Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film" ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.
Kurzkritik Filmdienst
Ein ehemaliger Buchhalter wird von einer dubiosen Sicherheitsfirma angeheuert, um Mitschnitte von Telefongesprächen abzuschreiben. Dafür ist er durch seine Gleichgültigkeit gegenüber der Welt bestens geeignet, was ihn auch davon abhält, sich Gedanken über das Gehörte zu machen, obwohl politisch brisante Dinge darin vorkommen. Erst als sein Leben bedroht wird, erkennt er, dass er zwischen die Fronten der Geheimdienste geraten ist. Der bestechend fotografierte, eher beiläufig inszenierte Neo-Noir-Thriller glänzt durch seinen Hauptsteller und demonstriert klug das Ausmaß staatlicher Überwachung.
Sehenswert ab 14.
Doris Kuhn, FILMDIENST 2017/24
Trailer (115 Sekunden):
ausführliche Kritik Filmdienst
Am Anfang steht ein bisschen Wahnsinn. Der Buchhalter Duval hat im Laufe einer Nacht, befeuert von erheblichem Whiskeykonsum, alle Aktenordner seines Großraumbüros gesichtet, ihren Inhalt neu sortiert und sie in einer langen, exakt ausgerichteten Reihe auf den Boden gestellt. Wie Domino-Steine stehen sie da, bestimmt hundert Stück, eine Meisterleistung in Ordnung und Ästhetik. Leider hat der Rest des Büros diese Aktion nicht intakt überstanden, genau so wenig wie Duvals Verstand. Man trifft ihn dann zwei Jahre später wieder; er hat Alkohol und Burnout hinter sich gebracht und legt jetzt hauptsächlich Puzzles auf dem Küchentisch. Die Suche nach einem neuen Job scheitert an seinem Alter, womöglich auch an seiner weltabgewandten Art.
Unter dubiosen Umständen bekommt Duval doch wieder eine Stelle. Eine Sicherheitsfirma heuert ihn an, um Tonaufnahmen abzuschreiben. Die sind auf Kassetten gespeichert. Duval muss sie mit einer Schreibmaschine auf Papier transkribieren, in einem Büro in einer heruntergekommenen Wohnung, in der er ganz alleine sitzt. Seine Arbeit wirkt, als hätte es keine Jahrtausendwende gegeben, und so ähnlich wird sie von seinem neuen Chef Clément auch erklärt: Nur auf diese Weise bleiben Informationen heutzutage geheim.
Was Duval hört, sind illegale Mitschnitte von Telefongesprächen. Er schreibt sie auf, ohne sich über den Inhalt zu wundern. Hier wird bereits klar, dass Überwachung nicht zuletzt deshalb funktioniert, weil jeder sich zum Komplizen macht, der genug Gleichgültigkeit aufbringt. Duval ist perfekt für seinen Job, denn der einzige Mensch, mit dem er redet, ist Sara, eine junge Frau aus den Treffen der Anonymen Alkoholiker. Die Gegenwart Frankreichs hingegen interessiert ihn nicht. Ein neuer Präsident soll gewählt werden. Terroristen halten französische Geiseln in Mauretanien fest. Ihr Unterhändler wird in Paris erschossen. Nichts davon dringt zu ihm durch, obwohl auf den Kassetten genau die Leute abgehört werden, die in all das verwickelt sind.
Als Duval dann doch aufwacht, ist es zu spät. Da steht schon ein Geheimagent vor seinem Schreibtisch, der ihn zu einem Einbruch in eine Kanzlei zwingt. Das geht natürlich schief, es gibt einen Toten, aber der Agent empfiehlt Duval den Mund zu halten und bringt ihn nach Hause. Dort brechen rund um Duval Turbulenzen aus. Er wird bedroht, verhaftet, soll für die eine Seite spionieren, gleichzeitig für die andere. Endlich beginnt Duval, sich nicht mehr jedem unterzuordnen, der ihn für seine Zwecke benutzen will, sondern selbst zu denken, dann auch zu handeln. Bis in seine eigene Küche müssen die Ereignisse an ihn heranrücken, bevor er seinen Job versteht: Alle wissen alles über alle – auch über ihn. Die Reichweite der Überwachung wird für Duval deutlich, und sie ist nahezu umfassend.
Regisseur Thomas Kruithof inszeniert den Thriller sehr beiläufig, er lässt viel im Hintergrund oder auf der Tonebene passieren. Wenn man als Zuschauer nicht aufmerksam genug bleibt, läuft man Gefahr, wichtige Momente zu versäumen. Vielleicht folgt man gerade der Affäre, die sich überraschend zwischen Duval und Sara anbahnt. Vielleicht verliert man sich in den Unschärfen der grünen und ockerfarbenen Bilder, die Kameramann Alex Lamarque mit so viel Tristesse ausstattet, als hätten all die öffentlichen Videoaufzeichnungen die Farben aus der Welt gesogen. Dann kann es gut sein, dass man zwischendurch die Stelle von Duval einnimmt: Ein wenig hilflos, leicht verwirrt, nicht ganz überzeugt vom Ausmaß der Bedrohung.
Im Original heißt der Film „La mécanique de l’ombre“. Duval werden die Augen mit Gewalt geöffnet, damit er diese Mechanismen erkennt und unterläuft. Auf diese Weise sorgt die Inszenierung dafür, dass am Ende doch etwas Licht in die dunkle Geschichte kommt. Das ist der Fiktion geschuldet – nicht aber die Vision vom korrupten, gewissenlosen, zunehmend machtgierigen Überwachungsstaat, die „Operation Duval“ so klug demonstriert.
Doris Kuhn, FILMDIENST 2017/24