Bathsheba Everdene ist, auf den ersten Blick zumindest, so etwas wie eine personifizierte Unabhängigkeitserklärung. Aus den Geschlechterkonventionen ihrer Zeit – es sind die 1870er-Jahre im Süden Englands, in Wessex – macht sich die junge Frau vermeintlich nichts. Sie reitet wie ein Mann, zumindest, wenn sie sich unbeobachtet glaubt. Heiraten mag sie nicht, mit der Begründung, sie könne niemandes Besitz sein. Stattdessen übernimmt sie nach einer Erbschaft die Führung des großväterlichen Gutshofs.
Den steilen proto-feministischen Einstieg hielt Thomas Hardy in dem Roman „Far From the Madding Crowd“ aus dem Jahr 1874, auf dem die Verfilmung des Dänen Thomas Vinterberg basiert, natürlich nicht durch. Bathsheba will gezähmt werden, irrt und wirrt und kehrt nach einem rücksichtslosen Flirt mit dem reichen, hoffnungslos verliebten William Boldwood und einer rasant gegen die Wand gefahrenen Ehe mit dem verwegenen Offizier und Spieler Frank Troy zum ersten Kandidaten zurück: dem treuen und verlässlichen Schäfer Gabriel Oak.
Vinterbergs Verfilmung ist bereits die vierte Adaption des Romans für die Leinwand, unter denen John Schlesingers „Die Herrin von Thornhill“ (1967) wohl die bekannteste ist. Wenn der grundsolide Film denn überhaupt so etwas wie eine revisionistische Spur verfolgt, dann ist sie am ehesten in der zeitgenössischen Ausstrahlung Carey Mulligans zu finden: in ihrem ironischen Lächeln, den offensiven Blicken, den nach vorne stürmenden Bewegungen. Ansonsten ist der Film von genau der Polarität bestimmt, die bereits Hardys Roman zu eigen war: zwischen Realismus und Romantik, progressiven Tönen und Konvention.
Vinterbergs Blick auf die Ehe als Tauschökonomie ist bei aller Ungeschminktheit nie wirklich ernüchternd. Eher amüsiert als bissig betrachtet er den Heiratsantrag als eine Art Geschäftsbericht – so viele Hektar Land, Kleider, ein Klavier, Blumen etc. Die Romantik hat im Film eindeutig Überhang, freilich in ihrer lichten, populären Variante. Farmarbeit ist hier auch immer ein Verbindungsglied zwischen Natur und Körpern, ein Medium des physischen Kontakts. Wenn Gabriel und Bathsheba während eines nächtlichen Sturms gemeinsam die Strohballen abdecken oder bis zur Hüfte im dreckigen Wasser stehend die Schafe waschen, legt Vinterberg die Bausteine für die zukünftige Paarkonstruktion. Vor allem der nicht sonderlich subtil choreografierte Blickaustausch zwischen den beiden arbeitet von Beginn an ihrer Zusammenführung entgegen. Die im Vergleich eigentlich interessanteren „Episoden“ der Heldin mit Boldwood und Troy bekommen dadurch den Status von Übergangserfahrungen, die im Sinne des Entwicklungsromans zu absolvieren sind. Dass sich Bathsheba tatsächlich in aller Konsequenz für ihre Unabhängigkeit und gegen die Ehe entscheiden könnte, scheint in keinem Moment eine Option. Nach einem offenen, luftigen Auftakt wird die Dramaturgie und mit ihr die Heldin zunehmend in klare, vorgegebene Bahnen gelenkt.
Esther Buss, FILMDIENST 2015/14