Cheng, ein chinesischer Tourist, reist mit seinem kleinen Sohn Nunjo nach Lappland in ein finnisches Dorf namens Pohjanjoki. Kaum sind sie dem Bus entstiegen, verschlägt es Cheng in den sozialen Anlaufpunkt des Kaffs: in „Sirrka’s Bar“. Cheng ist auf der Suche nach einem finnischen Freund namens Fongtron. Doch niemand hat jemals von ihm gehört, auch Sirrka nicht. Aus Mitleid gewährt sie dem eigentümlichen Chinesen und seinem Sohn Kost und Logis. Noch weiß sie nicht, wer der mysteriöse Fremde ist, wen oder was er sucht und warum sein Sohn so verschlossen ist.
Am nächsten Tag sind Vater und Sohn noch immer da. Plötzlich fährt ein Bus mit hungrigen chinesischen Touristen vor. Da sie von Sirrkas Wurstgericht mit pappigem Kartoffelpüree und fetter Soße nicht beeindruckt sind, wirft Cheng kurzerhand ein Paar Packungen Nudeln in einen großen Topf und zaubert eine köstliche Suppe, die nicht nur den Chinesen, sondern auch den Einheimischen schmeckt.
Die Freuden des finnischen Way of Life
„Kein gutaussehender, heterosexueller finnischer Mann würde das jemals essen“, hatte einer der kauzigen Gäste kurz davor noch eingewandt. Doch die Wirkung auf Gesundheit und Laune bleibt auch ihm nicht verborgen. Des Rätsels Lösung: Cheng ist Meisterkoch aus Shanghai. Während sich sein Sohn mit den anderen Kindern im Dorf anfreundet, wird der Vater mit dem finnischen Way of Life vertraut gemacht: Sauna, Angeln, Schnaps und Volkstanz. Auch mit Sirrka könnte sich eine Romanze entspinnen. Doch es gibt ein Problem: Chengs Visum läuft bald ab.
Mika Kaurismäki, der große, aber nicht ganz so erfolgreiche Bruder von Aki Kaurismäki, ist mit seinem neuen Film in seine Heimat zurückgekehrt. Seine leise Komödie verhandelt gleichwohl große seelische Wunden. Denn Cheng und Nunjo sind verschlossene Menschen. Erst nach und nach lüftet sich ihr Geheimnis; ein Trauma aus der Vergangenheit, das sie belastet. Doch das Leben im Dorf verändert Vater und Sohn, so wie sich die Dorfbewohner durch Chengs Essen verändern.
Ein Rentier im Wald
Mika Kaurismäki und sein Drehbuchautor Hannu Oravisto lassen zunächst, etwas überraschungsarm und vorhersehbar, die Gegensätze zwischen Fremden und Einheimischen, China und Finnland, großstädtischer und dörflicher Kultur aufeinanderprallen, um sie dann miteinander zu vereinen. Das Rentier-Chop-Suey, bei dem sich finnische Hausmannskost mit chinesischer Kochkunst verbinden, ist ein symbolträchtiges Beispiel. Dabei haben die kulturellen Unterschiede auch immer etwas Faszinierendes, wenn etwa Nunjo im Wald ein Rentier entdeckt oder Cheng den Restaurantgästen rät, die Suppe zu kauen.
Die Zubereitung der Speisen spielt dabei filmisch keine so große Rolle wie in vergleichbaren Filmen, etwa in „Eat Drink Man Woman“ oder „Babettes Fest“. Das Ergebnis zählt: leckere Buffets, die die Gäste verzaubern. Denn: Essen ist nicht nur ein Genuss und macht satt – Essen gibt auch Hoffnung und heilt kleine und große Wehwehchen.
„Ich habe noch nie so viel Platz gesehen“
Der Abspann mit Fotos von weiteren fernöstlichen Köstlichkeiten bestätigt diese These. Doch hier geht es nicht nur ums Essen, sondern auch um die finnische Landschaft, die Kameramann Jari Mutikainen in ihrer Rauheit und Authentizität aufregend eingefangen hat. Einmal erklimmen Cheng und sein Sohn eine Anhöhe, um das Panorama zu genießen. „Ich habe noch nie so viel Platz gesehen“, sagt der Junge anerkennend. Eine beeindruckende, idyllische Weite, die sich in Shanghai so nicht erleben lässt. Auch die Landschaft besitzt die Kraft, Menschen zu verändern.
Eine Kritik von Michael Ranze