Seniorenkino: Ich bin dann mal weg

  Dienstag, 07. März 2017 - 15:30 bis - 17:30

Ort: Alte Exerzierhalle am Neuen Rathaus
Einlass: ab 14.30 Uhr
Eintritt: 4,00 €
Kaffee und Kuchen für 2,50


Scope. Deutschland, 2015
Komödie Literaturverfilmung

92 Minuten
FSK:     ab 0; f
FBW:     w
Erstaufführung:     24.12.2015

Regie:     Julia von Heinz
Buch:     Jane Ainscough, Christoph Silber, Sandra Nettelbeck
Vorlage:     Hape Kerkeling (Buch "Ich bin dann mal weg")
Kamera:     Felix Poplawsky
Schnitt:     Georg Söring, Alexander Dittner

Darsteller:
Devid Striesow (Hape), Martina Gedeck (Stella), Karoline Schuch (Lena), Annette Frier (Dörte), Katharina Thalbach (Oma Bertha), Inez Bjørg David (Siri), Julia Engelmann (Line), Anna Stieblich (Babbel), Heiko Pinkowski (Bernd), Birol Ünel (Americo)

 

Filmhomepage, Wikipedia
 

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.

Kurzkritik Filmdienst
Im Jahr 2001 wanderte der Entertainer und Komiker Hape Kerkerling über den Jakobsweg Richtung Santiago de Compostella, um Abstand zu sich und seinem aufreibenden Berufsleben zu gewinnen. Seine in einem Buch verarbeiteten Erlebnisse und Erfahrungen greift der gleichnamige Film zwar auf, verfehlt aber in seiner dekorativen Bebilderung gerade den menschlich-sanften Ton der Vorlage. Mit launigen Kalenderweisheiten, oberflächlichen Rührseligkeiten und kunstgewerblichen Nichtigkeiten stürzt der zahnlose Film ins tiefe Loch des Banalen. - Ab 12.
Horst Peter Koll, FILMDIENST 2015/26


Trailer (100 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst
Hape Kerkelings gleichnamiges Buch über seine Erlebnisse und Erfahrungen während seiner Pilgerreise auf dem Jakobsweg war nach 2006 eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Zwei Jahre lang belegte es die Sachbuch-Hitliste – wohl in Ermangelung einer passenderen Kategorie, denn Kerkeling ging weder sachlich noch gar dokumentarisch mit seiner Reise um. Er beobachtete vielmehr betont persönlich, mal launig, mal nachdenklich, in jedem Fall aber sehr unterhaltsam das mehr touristisch als religiös geprägte Treiben um ihn herum.
Um explizit christliche Pilger machte der seinerzeit ausgebrannte und erschöpfte Entertainer ohnehin einen Bogen, weil er sie nicht als lernfähig erachtete: Sie würden als „die gleichen Menschen die Reise beenden, als die sie sie begonnen haben“. Viel lieber beobachtete er die Sonderlinge wie auch das Besondere in den Details, die auf seinem Weg lagen und in denen sich seine eigene Befindlichkeit, seine Orientierungs- und Ratlosigkeit spiegelten.
In Kerkelings sanften, betont „menschlichen“ Betrachtungen über (Sinn-)Suche und Toleranz konnten sich Millionen von Menschen wiederfinden; sie lösten sogar einen angeblich messbaren „Kerkeling-Effekt“ aus – das liebenswürdige Reisetagebuch soll zahlreiche Deutsche auf den Weg nach Santiago de Compostela geführt haben.
Wie aber lässt sich ein solch „luftiger“ Stoff für die große Leinwand verfilmen? Vor allem, so lautete wohl die kategorische Strategie, sehr, sehr niederschwellig, damit sich auch ja keiner durch eine vom Buch abweichende visuelle oder narrative Eigenständigkeit düpiert fühlen könnte. Was im Endeffekt vor allem nur zu einem führte: zu einem gänzlich überflüssigen Kinofilm, der rein gar nichts zu erzählen hat, das Buch zwanghaft dekorativ bebildert und sich weder visuell noch thematisch irgendetwas Eigenes zutraut.
Existenzielle Fragen nach Gott oder der eigenen Existenz, die, in welcher Weise auch immer, auf einen Urgrund oder auf religiöse Empfindungen zurückverweisen, formulieren sich im Rahmen koketter Bonmots und launiger Kalenderweisheiten, die stets haarscharf neben der von Kerkeling beabsichtigten Liebenswürdigkeit aufschlagen und ins tiefe Loch des Banalen stürzen. Die weiten Landschaften des Pilgerwegs werden von der Kamera stoisch links liegen gelassen, die Unbequemlichkeiten der „Massenabfertigung“ geraten zu episodischen Aperçus, die Schicksale der Mitwanderer, besonders der am frühen Krebstod ihrer Tochter leidenden Stella, reichen für peinlich oberflächliche Rührseligkeiten, wie man sie aus „Traumschiff“-Fernsehserien kennt.
Dessen Publikum hat man wohl als Zielgruppe auserkoren, und spielt deshalb ebenso konsequent wie schamlos auf der Klaviatur kunstgewerblicher Nichtigkeiten, die nichts bewirken, außer dass sie Lebenszeit rauben. Bewundernswert ist allein die stoische Ergebenheit von Devid Striesow als Hape Kerkeling, der sich aus künstlichen Fettpolstern und wirrem Zottelbart „herauswandert“ und mitunter verblüffend präzise Kerkelings Tonfalls trifft, ohne dabei unangenehm als deckungsgleiche Kopie aufzufallen. Allein Striesow hat der Film einen gewissen Charme zu verdanken – aber auch die Erkenntnis, wie sehr seine großartigen mimischen Talente in einer erschreckend zahnlosen Kommerzproduktion verbrannt werden, die das Wort „Kinofilm“ nicht verdient.

Horst Peter Koll, FILMDIENST 2015/26