Maggies Plan

  Freitag, 11. November 2016 - 20:30 bis - 22:20

Nominiert für den Oscar 2017 in der Kategorie "Bester Film".

Eintritt: 5,00 €

Komödie USA 2015
Kinostart: 4. August 2016
99 Minuten
FSK: ab 0; f

Regie/Drehbuch/Produktion: Rebecca Miller
Kamera: Sam Levy
Musik: Michael Rohatyn
Schnitt: Sabine Hoffman
Alle Nomierungen und Auszeichnungen auf IMDB

Darsteller:
Greta Gerwig (Maggie), Ethan Hawke (John), Julianne Moore (Georgette), Bill Hader (Tony), Maya Rudolph (Felicia), Travis Fimmel (Guy), Ida Rohatyn (Lily), Wallace Shawn (Kliegler), Mina Sundwall (Justine), Jackson Frazer (Paul), Monte Greene (Max)
Filmagentinnen, 9W54000

Filmhomepage, Programmkino.de, EPD-Film

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Kurzkritik Filmdienst
Eine New Yorkerin Mitte 30 will auch ohne Partner ein Kind bekommen. Während der Inseminationsvorbereitungen verliebt sie sich in einen Universitätsdozenten, der in seiner Ehe mit einer tyrannischen Professorin nicht glücklich ist. Drei Jahre später ist aus der Beziehung zwar ein Kind entstanden, doch die Mutter würde den Erzeuger gerne wieder zurückgeben. Die anti-romantische Screwball-Komödie sprüht in der Tradition von Woody Allen unter weiblichen Vorzeichen vor Dialogwitz und einem glänzend besetzten Darsteller-Ensemble. Die Generation der Selbstoptimierer wird mit Verständnis, aber ohne Häme seziert, während der dünkelhafte Wissenschaftsbetrieb heftige Seitenhiebe abbekommt.
Sehenswert ab 14.

Trailer (101 Sekunden):



ZDF "Neu im Kino" (5 Minuten):

ausführliche Kritik Filmdienst
Manche Frauen verspüren in der Schwangerschaft unbändige Lust auf saure Gurken. Die New Yorkerin Maggie sucht sich hingegen einen Saure-Gurken-Verkäufer aus, um überhaupt erst schwanger zu werden. Phallus-Analogien verbieten sich dabei. Schließlich geht es der Mittdreißigerin nicht um den Mann, der während der gemeinsamen Schulzeit noch so gut in Mathe war und nun mit Gurken hantiert, sondern allein um dessen Sperma.

Maggie, so erfährt man schon in der ersten Gesprächsszene mit ihrem besten Freund Tony, hat keinen Mann, aber einen Kinderwunsch und einen Plan. Damit besitzt der Film von Rebecca Miller eine prächtige Hauptfigur mit verspäteten Post-Adoleszenzproblemen, wie sie gerne auch in den Komödien von Noah Baumbach gewälzt werden, häufig mit Greta Gerwig als Co-Autorin und in der Hauptrolle.

Gerwig spielt auch hier das „It-Girl“ des Mumblecore, die Uni-Angestellte Maggie. Die ist gutherzig, vergleichsweise unneurotisch, zielgerichtet, aber auch ein kleines bisschen doof. Zumindest wird ihr das von Menschen, vornehmlich Frauen, bescheinigt, die selbst in bildungsbürgerlichen Wolken stecken, die in der Post-Postmoderne seltsame Formen annehmen können; so doziert der Mann, in den sich Maggie während ihrer Inseminationsvorbereitungen verliebt, „fikto-kritische Anthropologie“. John schreibt an einem Roman, erscheint so charmant wie klug, fühlt sich aber von seiner noch viel klügeren Ehefrau Georgette, einer Anthropologie-Professorin, die von Julianne Moore als in zottelige Kunstpelz-Westen gehüllter Drache gespielt wird, drangsaliert und ausgebremst.

Johns Charme ist überwältigend, die Lobhudelei der jüngeren Frau für sein Buch animierend. Und so landet Maggie mit John, kurz nach der manuellen Einführung des Gurkenmann-Spermas, im Bett. Es folgt ein Zeitsprung von drei Jahren, in denen eine Tochter geboren und Georgette verlassen wurde, mitten hinein in die neue Beziehung zwischen Maggie und John, die sich von einer Symbiose zu einem parasitären Verhältnis entwickelt hat.

„Maggie`s Plan“ lebt von den schlagfertigen Dialogen und Kapriolen eines bis in die Nebenfiguren hinein köstlich gezeichneten Figurenensembles. Da stehen sich Maggie und ihre Ex-College-Beziehung so nah, dass sie den jeweils anderen zum Mundgeruch-Test heranziehen. Georgette und John bekommen sich über die Occupy-Bewegung als Subplot der kapitalistischen Narrative in die Haare, und Maggie versucht für eine ihrer Studentinnen mittels einer Kinderpuppe mit entnehmbaren Organen, den Abgrund zwischen Kunst und Kommerz zu überwinden.

Wie Maggie und John beim Flanieren durch den Central Park über sein Buch fachsimpeln und Jahre später in ihrer shabby-chic designten Wohnung aneinander vorbeireden, könnte auch aus der Feder von Woody Allen stammen. Ethan Hawke als selbstbezogener Intellektueller mit Jammertendenz wird hier allerdings aus strikt weiblichem Blickwinkel zur sauren Gurke, in die Maggie irgendwann nicht mehr beißen will. John, der sein Buch nicht fertigbekommt, saugt Maggie aus, während sie Beruf, Haushalt und Johns Kinder aus erster Ehe zu vereinen versucht. Deshalb ändert Maggie ihre Strategie: Statt Rückhalt heißt die Devise fortan Rückgabe, was bei der gehörnten Georgette auf wenig Begeisterung stößt.

Die (anti-)romantische Screwball-Komödie nach einer Geschichte von Karen Rinaldi etabliert Maggie als Rettungsengel mit den besten Absichten und schlechten Lösungsansätzen. Was den Stoff neben den cleveren Wendungen und Seitenhieben auf einen blasierten Wissenschaftsbetrieb amüsant macht, ist eine Variation des Bechdel-Tests. Dieser fragt nach der Existenz weiblicher Hauptfiguren, nach deren dialogischen Anteil und ob sich der Inhalt nicht nur um das andere Geschlecht dreht. Auch Maggies Plan und Handeln ist auf Männer fokussiert. Aber zunächst geht es um deren Sperma und dann darum, wie man sie wieder loswird.

Rebecca Miller hebt gegen die Egoismen der jüngeren „Generation beziehungsunfähig“ nicht den Zeigefinger, sondern bringt Verständnis für die Selbstoptimierer auf, denen Karriere und persönliches Glück über das ihrer Liebsten geht: Partner und Kinder werden zu Schachfiguren auf dem Spielfeld der Selbstverwirklichung, allein das Konzept zählt. Doch egal, ob das nun Mutterschaft, Paarbeziehung oder Familie heißt: Irgendwann schleichen sich immer wieder die gleichen Fehler ein, die Maggie nicht hinnehmen will. Das fällt aber weniger unter Selbstoptimierung, als unter einen Selbstschutz, der sich von aufopfernden weiblichen Rollenbildern eklatant unterscheidet.

Millers Film kehrt die Gender-Verhältnisse um – und eröffnet in der letzten Szene dann doch einen wortwörtlichen „Augenblick“ klassischer Familienplanung, das allerdings ohne Häme, sondern mit viel Herz.

Kathrin Häger, FILMDIENST 2016/16