Der Bunker (Seite unfertig)

Der Bunker (Seite unfertig)

  Freitag, 28. Dezember 1990 - 19:30 bis Freitag, 28. Dezember 1990 - 21:20

Ort: Kino achteinhalb

http://www.einmannnamensove-film.de/story

Kategorien: Stefan, Kammerspiel

Treffer: 1535


Eintritt: 5,00 €

Tragikomödie Schweden 2015
Kinostart: 7. April 2016
FSK: ab 12; f
FBW: Prädikat besonders wertvoll 
 
Regie/Drehbuch: Hannes Holm
Vorlage: Fredrik Backman (Roman "En man som heter Ove" / "Ein Mann namens Ove")
Kamera: Göran Hallberg
Musik: Gaute Storaas
Schnitt: Fredrik Morheden

Darsteller:
Rolf Lassgård (Ove), Filip Berg (Der junge Ove), Ida Engvoll (Sonja), Bahar Pars (Parvaneh), Tobias Almborg (Patrick), Klas Wiljergård (Jimmy), Chatarina Larsson (Anita), Börje Lundberg (Rune), Stefan Gödicke (Oves Vater), Anna-Lena Bergelin (Lena), Johan Widerberg (Weißhemd)
Tobis, Scope, 12W 88.000

 
Filmhomepage, Wikipedia, Programmkino.de, EPD-Film

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.

Kurzkritik Filmdienst
Ein 60-jähriger Witwer hat sich über Jahre hinweg durch Pedanterie und Unfreundlichkeit seine Umgebung zum Feind gemacht. Als er seine Arbeit verliert, will er sich umbringen, wird aber durch das Eintreffen neuer Nachbarn gehindert. Durch ihre hartnäckige Freundlichkeit besinnt er sich auf seine lange unterdrückten menschenfreundlichen Seiten. Eine in der Hauptrolle ideal besetzte, hervorragend inszenierte Komödie über die Läuterung eines Misanthropen. Der souverän zwischen Emotionen und trockenem Witz ausbalancierte Film überzeugt auch als unaufdringlicher Appell an mehr Mitmenschlichkeit.
Sehenswert ab 14.


Trailer (101 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst
Wenn Ove aus dem Haus geht, bleiben seine Mitmenschen besser auf Abstand. „Idioten!“, ist der Lieblingsausspruch des 60-jährigen Mannes, der ihm beständig auf den Lippen schwebt, wenn er die heutige Gesellschaft betrachtet. Und den er unbekümmert um mögliche Ohrenzeugen ausspricht. Gelegenheit dazu hat er reichlich: Sei es im Blumenmarkt, wo er des Rabatts wegen zwei Sträuße kaufen muss, obwohl er nur einen braucht. Sei es bei der Arbeit, wo die jungen Mitarbeiter auf der „Unsitte“ der Mittagspause bestehen. Oder in der Wohnanlage, wo Ove auf seinen Kontrollgängen immer wieder Zigarettenkippen aufsammelt, den Müll der Nachbarn umsortiert und Tiere anschnauzt, egal ob angeleinte Hunde oder herrenlose Katzen. Auf schlecht eingeparkte Autos klebt er Zettel, und falsch abgestellte Fahrräder werden gar konfisziert. Kein Wunder, dass Oves Nachbarn gegenüber dem grummelnden Griesgram auch keine sonderlich freundlichen Gefühle hegen. An ihm perlt Feindseligkeit jedoch ab, umso mehr, als er seit dem kürzlichen Tod seiner Frau Sonja seine noch ausstehende Lebenszeit ohnehin für begrenzt hält.

Im realen Leben würde man einen großen Bogen um einen derart unleidigen Zeitgenossen machen; die Kinoadaption des schwedischen Erfolgsromans von Fredrik Backman durch den Regisseur Hannes Holm erweckt jedoch unwillkürlich Anteilnahme für den Protagonisten. Es ist offensichtlich, dass Rolf Lassgård die Idealbesetzung für den grantelnden Ove ist: Der hünenhafte schwedische Schauspieler verleiht seiner Figur eine Art unsichtbaren Ganzkörperpanzer aus einem permanent schroffen Tonfall und ruppigen Bewegungen. Wenn er den Reißverschluss seiner Jacke ruckartig halb zuzieht, kann niemand bezweifeln, dass Ove ein Gespräch für beendet hält. Hinter seiner robusten Massigkeit lässt Lassgård aber von Anfang an auch eine tiefe Traurigkeit aufscheinen. Sein Panzer ist auch ein Schutz vor der Außenwelt.

Das Gefühl, dass diese Misanthropie mit schlimmen Erfahrungen zusammenhängt, ist so bereits etabliert, wenn man erfährt, dass der mittlerweile arbeitslose Ove seinen Selbstmord plant. Doch als er im Anzug gerade auf einen Stuhl gestiegen ist und sich einen Strick um den Hals gelegt hat, bringt ihn Radau vor dem Fenster aus dem Konzept: Misstrauisch beäugt er eine unbekannte Familie beim Einzug und führt dem unbedarften Vater auch gleich korrektes Rückwärtsfahren vor. Danach ist er verständlicherweise erst mal nicht mehr in der rechten Selbstmordstimmung.

Auch im Folgenden machen die neuen Nachbarn Ove aufs Köstlichste das Sterben schwer. Die kontaktfreudige und hochschwangere iranischstämmige Mutter Parvaneh lässt sich von Oves ablehnender Haltung nicht im Geringsten beeindrucken und taucht permanent bei ihm auf – ausgerechnet stets dann, wenn er einen erneuten Selbstmordversuch in Angriff nimmt. Daraus entwickelt sich ein ebenso schöner Running Gag wie aus Parvanehs Geschick, Ove gegen seinen Willen zu sich steigernden Hilfsleistungen zu überreden. Erst geht es um eine Leiter, dann um eine Fahrt ins Krankenhaus, da ihr Mann von ebendieser gestürzt ist, als Folge davon wiederum will Parvaneh mit Oves Anleitung den Führerschein machen. Zudem wird der Einzelgänger auch als Aufpasser für die Kinder angeheuert, eine Aufgabe, die ihm weit besser gefällt, als er zunächst ahnt.

Geschickt verwoben mit Oves allmählichem Auftauen sind Rückblenden in seine Kindheit und frühe Erwachsenenjahre, an seinen Vater und die erste Zeit mit Sonja, die berührende Erklärungen für seinen Kontrollwahn und sein Einzelgängertum bieten. Dabei setzen Holm und sein Kameramann Göran Hallberg auch einen bildlichen Kontrapunkt: Während Oves trübe Gegenwart fast nur matte Töne kennt, insbesondere in Grau und Blau, sind die Szenen der Vergangenheit in warme Farben und Licht getaucht. Das lässt sich als Visualisierung von Oves nostalgisch überhöhten Erinnerungen verstehen, unter denen sich allerdings auch etliche Momente des Verlustes befinden, sodass es mit dem Gefühlsfaktor der Rückschau nie zu viel wird. Ungemein sicher bewegt sich der Film zwischen großer Emotion und trockenem Witz, realistischer sozialer Anklage und optimistischem Feelgood-Kino – ein Meisterstück des Timings. Und wenn sich Oves gute Eigenschaften endlich auch in der Gegenwart wieder durchsetzen und sein aktiver Nachbarschaftsgeist aufs Neue erwacht, darf man dies getrost zu den schönsten Momenten der letzten Kinojahre rechnen.

Marius Nobach, FILMDIENST 2016/7